© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/04 26. März 2004

Kolumne
Wa(h)re Größe
Rolf Stolz

Gäbe es einen Nobelpreis der Fachrichtung Angewandte Perfidie, Bülent Arslan könnte in vorderster Reihe Anspruch darauf erheben. Sie kennen Bülent Arslan noch nicht? Ich fürchte, wir werden ihn und seinesgleichen noch kennenlernen - bis zum Exzeß. Zumindest hat dieser Phänotyp Konjunktur.

In Zeiten der grassierenden bis galoppierenden Gedankenkonfusion und des Ausverkaufs deutscher wie europäischer Werte sind politische Konjunkturritter und ihre entsprechenden Organisationsformen gefragter denn je. Letztere heißen beispielsweise "Deutsch-Türkisches Forum in der CDU", abgekürzt DTF, wenn sie in und gegen Deutschland türkische Interessen vertreten.

Der Vorbeter dieses Antideutsch-Protürkischen Forums ist Bülent Arslan. Im DTF herrscht eine spezielle Fraktion der Islamismusförderer, beflügelt von den Großtaten des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Der ist trotz kosmetischer Korrekturen der Musterschüler, der prächtige Stammhalter seines Ziehvaters, des Ex-Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan. Ach ja, Erbakan - das war doch der oberste Patron einer anderen "deutsch-türkischen" Organisation, nämlich Milli Görüs, die ihre angeblich "neue Weltsicht", also einen abgestandenen Aufguß aus großtürkischem Chauvinismus und islamistischen Hetz- und Heilsparolen, neuerdings in neu lackierten Blechbehältern auf den politischen Markt wirft.

Und exakt diesen Verein empfiehlt Arslan im Namen des DTF unbedingt einzubeziehen in den Dialog und die Integrationsbemühungen. Seine Begründung: Die von Milli Görüs seien zwar noch nicht in allem politisch korrekt und voll okay, aber sie seien eine große Organisation. Was die Sache mit der Größe angeht, hat unser Bülent recht - hier ist ein antidemokratisches, antieuropäisches und antichristliches Geschwür zu kapitaler Größe herangewachsen. Aber ist Größe wirklich ein so gutes Argument für Kooperieren und Koalieren? Was übrigens die deutsch-türkischen Multimedien betrifft: Programmplatzsparend könnte sich Arslan mit dem Pfäffchen Fliege die Fernseh-Kanzel teilen. Fliege plädiert dann, wie er dies kürzlich tat, dafür, mit den Mördern von heute über die gemeinsame Zukunft zu sprechen, während Arslan die Mörder von gestern (1980 stürmten Milli-Görüs-Leute aus ihrer Berliner Mevlana-Moschee und ermordeten den Lehrer C. Kestim) zum Dialog-Tee einlädt und die fachkundigen Totengräber der Demokratie engagiert als Geburtshelfer des neuen Deutsch-Türkistan alias Germano-Erbakanistan.

 

Rolf Stolz ist Mitbegründer der Grünen. Heute lebt er als Publizist in Köln.


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