© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/04 26. März 2004

BLICK NACH OSTEN
Erfolge des Rechtsstaats
Carl Gustaf Ströhm

Dieser Tage erhielt ich zwei Einschreibbriefe aus Ungarn - vom Stadtgericht und der Staatsanwaltschaft von Stuhlweißenburg (Székesfehérvár). Zunächst packte mich das schlechte Gewissen: Bin ich vielleicht zu schnell gefahren, habe ich falsch geparkt oder überholt, wo es nicht gestattet ist? Doch ich wurde nicht als Täter, sondern als Opfer verständigt. Staatsanwalt Miklós Kato habe Anklage gegen eine "Verbrecherbande" erhoben, die neben anderen Objekten von "beträchtlichem Wert" auch meinen VW gestohlen habe.

Alles begann harmlos: Der Botschafter Estlands in Ungarn hatte mich zum Empfang anläßlich des Nationalfeiertags in die Budapester Redoute eingeladen. Ich könne meinen Wagen getrost im Pester Diplomatenviertel parken - dort stehe vor jedem zweiten Haus ein Polizist. Ich stieg aus und nahm - Gott sei Dank - meinen Paß und die Wagenpapiere mit. Zehn Minuten später war das Auto verschwunden. Aus dem netten Empfang wurde nichts - statt dessen saß ich mehrere Stunden bei der Budapester Polizei, wo die Beamten meinen Fall routinemäßig und fast gelangweilt behandelten. Ich war also kein Einzelfall.

Enttäuscht kehrte ich dann nächtens mit der Eisenbahn nach Wien zurück - begleitet von Kommentaren wie: "Dieser Diebstahl war genau geplant. Wahrscheinlich stecken die Täter sogar mit Polizei und Zoll unter einer Decke. Vergessen Sie den Wagen, den sehen Sie nie wieder - und die Täter sind wahrscheinlich längst in der Ukraine oder Rußland!"

Aber siehe da: Die Stuhlweißenburger Gerichtspräsidentin Ilona Sarközi informiert mich, daß ihr Gericht die Verhandlung gegen "János Varga wegen gewerbsmäßigem Diebstahl von besonders hohen Werten - in Tateinheit mit Gewalttaten als Mitglied einer Verbrecherbande" anberaumt hat. Offenbar ist die ungarische Justiz doch nicht so lasch, wie oft behauptet wird. Die Autodiebe werden jetzt wohl für einige Zeit aus dem Verkehr gezogen.

Das Autoklau-Thema wurde in einigen der EU-Erweiterungsländer zu einem Dauerbrenner - vor allem in Polen, aber auch anderswo. Ich wurde (bis jetzt) zweimal Opfer eines solchen Autoklaus. Der erste Fall ereignete sich Anfang der neunziger Jahre in der kroatischen Hauptstadt Zagreb (Agram), wo ich damals mit Familie ansässig war und den kroatisch-serbischen sowie bosnischen Krieg aus der Nähe beobachtete.

Wir wohnten in einer an sich gut bewachten Gegend: Polizei stand vor der Botschaft von Bosnien-Herzegowina und außerdem fuhr der Staatspräsident des öfteren auf dem Weg in seinen Amtssitz vorbei. Aber auch hier war eines Morgens das Auto verschwunden. Bald allerdings nahm die Geschichte eine überraschende Wendung. Nach etwa einer Woche läutete mein Telefon: "Hier ist die Polizeidirektion Varazdin (eine Kleinstadt unweit der ungarischen Grenze). Wir haben Ihren Wagen. Er ist ziemlich verdreckt, und ein Schloß ist aufgebrochen. Aber er ist fahrbereit. Sie können ihn bei uns abholen."

Ein Varazdiner Streifenpolizist hatte den Wagen, dem die Diebe anstatt des österreichischen ein deutsches Kennzeichen verpaßt hatten, auf einem Parkplatz entdeckt - und bemerkt, daß auf der Tafel der deutsche TÜV-Stempel fehlte! In meinen beiden Fällen haben die Mühlen der Gerechtigkeit also doch funktioniert.

Es bleibt mir nur, mich bei Polizei und Justiz von Kroatien und Ungarn zu bedanken - und für Vorurteile zu entschuldigen. Es gibt also auch dort wackere und pflichtbewußte Beamte!


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