© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/04 26. März 2004

Frisch gepresst

Berliner Geist. Im Spektrum des "Berliner Geistes", dem der Philosoph und Pädagoge Eduard Spranger eine heute noch lesenswerte Eloge gewidmet hat, besetzte das Künstlerehepaar Sabine (1864-1942) und Reinhard Lepsius (1857-1922) zwar nicht einen der vorderen Ränge, aber im Kulturgeflecht der wilhelminischen Ära bildete ihr Haus, wo Georg Simmel, Stefan George und Walther Rathenau verkehrten, einen der wichtigsten Knotenpunkte. Von diesem versinkenden Berlin kündete 1934 noch einmal ein schmaler Band über Stefan George, ein Porträt aus Sabine Lepsius' Feder, das als eines der erste Dokumente der inneren Emigration gelesen werden konnte. In einer aufwendigen, ja prachtvoll ausgestatteten (man beachte nur die Reproduktion der im Familienbesitz verwahrten Porträtphotos der Gesichtslandschaften Wilhelm Diltheys und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs!) Druckfassung beschäftigt sich die Dissertation von Annette Dorgerloh mit dem "Haus Lepsius" als "Forum des George-Kreises" und dessen Salon als Privatbühne des kaiserlichen Berlin zwar erst in zweiter Linie, doch weitet sich der kunsthistorische Hauptteil bereits zu einer fesselnden Kulturgeschichte preußischen Daseins (Das Künstlerehepaar Lepsius. Zur Berliner Porträtmalerei um 1900. Akademie Verlag, Berlin 2003, 306 Seiten, Abbildungen, 49,80 Euro).

Theodor Haubach. Nein, Carlo und Theo würden heute nicht mehr SPD wählen. Hätten sie nach dem Ende der kurzen Schumacher-Periode wohl auch früher nicht getan. Die Sozialdemokraten haben daher geschichtspolitisch auch so richtig nichts anzufangen gewußt mit Männern wie Carlo Mierendorff und Theodor Haubach, die beide wie Julius Leber und Wilhelm Leuschner zu den Exponenten des Widerstands zählten, die aus den Reihen der Weimarer SPD hervorgingen. Prägungen durch die Jugendbewegung, das Fronterlebnis, dazu - bei aller "Neuen Sachlichkeit" im Gestus - idealistisch infiltriert, Künstlernaturen, Zuckmayer-Freunde, mit einem Wort: unvermittelbar auf dem bundesdeutschen Politmarkt. Peter Zimmermann hat über Haubach nun mit seiner Hamburger Dissertation die "große Biographie" geschrieben, an der nur einige zeitkonforme Wertungen stören (Theodor Haubach 1896-1945. Eine politische Biographie. Dölling und Galitz, Hamburg 2004, 453 Seiten, 30 Euro).


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