© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/04 26. März 2004

Meldungen

Hahnen-Schrei: Glotz als völkischer Agitator

BERLIN. Peter Glotz, der einstige Bundesgeschäftsführer und kulturpolitische Vordenker der SPD, gilt nach dem Engagement für ein Berliner Zentrum gegen Vertreibungen mittlerweile als deutschnationaler Ultra. Nachdem der Gießener Diplom-Sozialwissenschaftler und Nicht-Historiker Samuel Salzborn im einstigen "Zentralorgan" der DDR-Geschichtswissenschaft seine notorische Polemik gegen den Bund der Vertriebenen als "Zwischenbilanz" der laufenden Kontroverse präsentieren durfte (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 12/03), verbreiten sich jetzt Eva und Hans-Henning Hahn über "Peter Glotz und seine Geschichtsbilder" (Heft 1/04). Glotz sei nicht nur dem "ethnischen Nationsbegriff" verhaftet. Als Sohn eines "Arisierungs"-Gewinnlers aus Eger wolle er sogar die Verantwortlichkeiten für den Zweiten Weltkrieg verschieben und könne in seiner "deutschnational beschränkten Sicht" die Tschechen nur als Gegner der Deutschen wahrnehmen. Deswegen sei er in Sachen Vertreibung wohl nicht die Idealbesetzung für einen "Dialog" mit Prag. Der Oldenburger Osteuropahistoriker Hahn ist aus tschechischer Sicht dafür mit seinen das Skurrile streifenden "Geschichtsbildern" sicher besser qualifiziert. Vom "Bazillus des Nationalismus" sind die Tschechen nach Hahns Meinung seit dem 19. Jahrhundert nämlich nur "angeblich" befallen, und ihrer "tausendjährigen staatsrechtlichen Tradition" sei das "ethnisch-völkische" Nationsverständnis überhaupt "fremd" gewesen.

 

Harlan und die Legende von der "zweiten Schuld"

SEELZE. Verglichen mit der wilhelminischen Ära oder der Weimarer Republik steht es schlecht um den Meinungspluralimus in der BRD. Intellektuelle arbeiten unter erhöhtem Anpassungsdruck. Gleichwohl ist ihr Selbstverständnis ungebrochen ein "kritisches". Opportunisten sind immer die anderen, mit Vorliebe die Elterngeneration zwischen 1933 und 1945. Deren "Systemhörigkeit" wird daher stets neu exemplifiziert. So widmet sich Birthe Kundrus intensiv den geschichtspolitischen Dimensionen der Entnazifizierung des Regisseurs Veit Harlan (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 2/04). Bemerkenswert an Kundrus' Studie ist nicht der überflüssige Nachweis, daß Harlan ein konstitutioneller Opportunist war. Die von ihr dokumentierte breite öffentliche Debatte um den Filmemacher gewinnt vielmehr da an Wert, wo ihr die Widerlegung der Legende von der "zweiten Schuld", der verabsäumten "Vergangenheitsbewältigung" der fünfziger Jahre gelingt. Der "Harlan-Skandal" belege, daß die Adenauer-Zeit "weniger ein Jahrzehnt des diskreten Beschweigens" war, "sondern eher des permanenten Thematisierungsdrucks".

 

Genfer Erklärung: Probe für Israels Friedenswillen

BERN. Der Bonner Publizist Ludwig Watzal, einer der besten deutschen Kenner des Nahost-Konflikts, wertet die "Genfer Erklärung", den jüngsten Versuch israelisch-palästinensischer Annäherung, als "Medienspektakel". Trotzdem spiegele sich darin die sozialpsychologische Befindlichkeit der israelischen Gesellschaft. Immerhin hätte die palästinensische Delegation das Recht des jüdischen Volkes auf Staatlichkeit endgültig anerkannt. Aber nur Arafat billigte das Abkommen, während es von Scharon verworfen wurde, was beweise, daß die Israelis immer noch nicht mit "ihrer nationalen Verantwortung für die palästinensische Tragödie ins Reine" kommen wollen.

 

Erste Sätze

Der kleine Fluß hieß Ilme.

Anna Maria Koeppen: Im Kranickwinkel. Roman, Leipzig 1938


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