© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/04 02. April 2004

"Das ist Zynismus pur"
EU-Beitritt der Türkei: Der BDB-Vorsitzende Wolfgang Schrauth über die Gefahren für Europa und über die Wichtigkeit bürgerschaftlichen Engagements
Manuel Ochsenreiter

Herr Schrauth, der Bundesverband der Bürgerbewegungen für Demokratie, Heimat und Menschenrechte (BDB) erregt seit einigen Tagen durch eine Anzeigenserie gegen einen EU-Beitritt der Türkei bundesweit Aufsehen. Wieso wählen Sie ausgerechnet diesen Weg, um das Thema zu diskutieren?

Schrauth: Mit unseren Anzeigen ist es uns tatsächlich gelungen, daß Thema wieder ins politische Gespräch zu bringen. In diesen Anzeigen, die wir in der Süddeutschen Zeitung, der Welt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schalteten, fordern wir Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, endlich die Tatsachen anzuerkennen, die gegen einen EU-Beitritt der Türkei sprechen. Niemand soll irgendwann behaupten können, er hätte keine Ahnung von den Folgen gehabt. Für Wahlen zum EU-Parlament im Juni sollte die Frage für die Bürger von besonderer Brisanz sein.

Welche Tatsachen meinen Sie?

Schrauth: Da gibt es mehrere Faktoren. Allein geographisch liegt die Türkei zu über 95 Prozent nicht auf dem europäischen Kontinent, das Bevölkerungswachstum würde die Türkei rasch zum bevölkerungsreichsten EU-Land machen - mit all den politisch daraus erwachsenden Folgen. Weiter hätten wir eine massenhafte Migration vor allem nach Deutschland zu befürchten, der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose geht von etwa fünf Millionen Türken aus, andere schätzen bis zu dreimal so viel. Die finanzielle Last eines solchen Beitritts, schätzungsweise etwa zwanzig Milliarden Euro jährlich, würde vor allem Deutschland als größten EU-Nettozahler erdrücken. Aber auch kulturell wäre ein türkischer EU-Beitritt ein Super-GAU für die europäische Staatengemeinschaft, die sich nicht zuletzt auf ihre gemeinsame christlich-abendländische Identität beruft. In unserer Anzeige nennen wir diese Tatsachen klar und deutlich.

Wieso engagieren Sie sich hierfür in einem Verein und nicht in einer der politischen Parteien?

Schrauth: Hierzu muß man wissen, daß der BDB ein Dachverband von bereits über zehn kommunalen Bürgerinitiativen ist, die sich in ihren Orten gegen islamische Parallelgesellschaften, insbesondere gegen den Bau von überdimensionalen "Islamischen Kulturzentren" und Moscheen stark machen. Die örtlichen Konstellationen sind dabei völlig unterschiedlich. Während an einigen Orten SPD-Bürgermeister sich für den Neubau von Moscheen stark machen, sind es woanders beispielsweise CSU-Politiker. Ähnlich sieht es daher auch in unseren Initiativen aus: Hier arbeiten überzeugte Sozialdemokraten, Liberale und auch Konservative mit und klären über die Gefahren des Islamismus auf. Außerdem ist unserer Ansicht nach die Verteidigung unserer demokratischen und freiheitlichen Werte keine Aufgabe, die allein den Parteien zufällt, sondern eben auch engagierten Bürgern - eine Erkenntnis, die übrigens selbst Schröders Parteifreund und Innenminister Otto Schily unlängst äußerte.

Gab es bereits Reaktionen?

Schrauth: Die gab es in der Tat! Unsere Anzeigen wirken sehr polarisierend, daß heißt, vom Schmähanruf mit unterlegter türkischer Folklore bis zu enthusiastischen Unterstützern erreichte uns fast alles. Allerdings läßt sich klar sagen: Die Bürger sind verunsichert. Sie fühlen sich übergangen und seitens der Beitritts-Befürworter völlig fehlinformiert. Interessant und für viele von uns unerwartet war auch die hohe Zustimmung von in Deutschland lebenden Türken, die unsere Bedenken teilten. Ein türkischstämmiger Anrufer kritisierte sogar die Tatsache, daß Bundeskanzler Schröder die eingebürgerten Türken mit seinen falschen Versprechungen zu "Stimmvieh" degradiere.

Gab es auch Reaktionen seitens der Medien und der Politik?

Schrauth: Ja, vor allem von türkischen Medien. Insgesamt macht es für mich den Eindruck, daß von türkischer Seite die Frage eines EU-Beitritts wesentlich offener, fairer und unverkrampfter diskutiert werden kann, als beispielsweise mit den deutschen Befürwortern des EU-Beitritts.

Inwiefern?

Schrauth: Während bei den Deutschen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irgendwann der Totschlag-Vorwurf der "Ausländerfeindlichkeit" ins Feld geführt wird, nach dem keine objektive Debatte mehr möglich ist, setzt sich die türkische Seite größtenteils ernsthaft mit den Argumenten auseinander. Und sie sagen oft: "Ihr Deutschen seid doch selber schuld, ihr habt es doch gar nicht anders verdient".

Klingt das nicht zynisch?

Schrauth: Sicherlich. Aber zynisch sind unsere rot-grüne Regierung sowie die Beitritts-Befürworter aus den Unionsparteien und der FDP. Sie spekulieren kurzfristig auf die Wählerstimmen der eingebürgerten Türken, die Folgen dieser gefährlichen Politik werden sie nicht mehr ausbaden müssen - dafür unsere Kinder. Das ist meiner Ansicht nach Zynismus pur.

Wie finanzieren Sie eigentlich Ihre Anzeigenaktion?

Schrauth: Ausschließlich durch private Spenden unserer Förderer und Freunde. Die Frage eines türkischen EU-Beitritts steht für sie nicht nur irgendwo auf der politischen Agenda, sondern ist die aktuelle europäische und deutsche Schicksalsfrage.

 

Wolfgang Schrauth, 50, ist Bundesvorsitzender des Bundesverbandes der Bürgerbewegungen für Demokratie, Heimat und Menschenrechte (BDB). Schrauth arbeitet als Unternehmensberater. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Kontakt: BDB, Postfach 27 07 03, 13477 Berlin, Tel: 0 30 / 43 60 71 48, Fax: 0 30 / 43 60 71 49

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