© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/04 02. April 2004

Kolumne
Salamitaktik
Klaus Hornung

Am 18. Juli 1994 schloß ich einen Leserbrief in der FAZ mit der Bemerkung, die CDU habe in ihrer "naiven Schlafmützigkeit noch nicht erkannt, daß die linken Drahtzieher zwar 'Rechtsextremismus' sagen, aber doch die ganze Union meinen." Das war nach den "Fällen" Filbinger, Jenninger und Heitmann. Inzwischen ist in die diabolische Kette noch Martin Hohmann eingefügt worden. Und wieder knickte - wie gewohnt - die Unionsführung vor dem gesteuerten Mediensturm ein. Die Linke bis zu ihrem extremen Rand hat die politische Auseinandersetzung zu einer Art Schießbude gemacht, in der man die als gefährlich empfundenen Leute der anderen Seite herausschießt.

Nun bestätigt die Kölner Ausstellung "Rechts um und ab durch die Mitte" erneut handgreiflich meine Voraussage von vor zehn Jahren und "entlarvt" nahezu die gesamte Führungsmannschaft der Union als "Stichwortgeber" des Rechtsextremismus, den nicht nur Herr Thierse "in der Mitte der Gesellschaft" ausmacht. Auch die Ausstellungsmacher sprechen im höheren Auftrag von den "Scharnieren" zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus - auch in der Union. Wenn es nicht so unsagbar traurig wäre, wäre man versucht, ironisch zu sagen "Willkommen im Club!" Allein die Linke soll als strahlende demokratische Lichtgestalt übrigbleiben. Auch in Köln tobt sich die "politisch-moralische Lynchstimmung im Correctness-Rausch" (Martin Walser) aus.

Natürlich ist diese antifaschistische Strategie durch und durch totalitär. Ihre Erfinder und Praktikanten waren einst - wer weiß das noch in unserer heutigen historisch-politischen Unbedarftheit? - Leute wie Lenin oder der ungarische KP-Chef nach dem Zweiten Weltkrieg Matyas Rakosi: Die "Salamitaktik" sollte die politische Wurst am rechten Rand anschneiden und dann scheibchenweise bis zur linken Mitte aufschneiden - mit dem Ziel der schließlichen Alleinherrschaft der extremen stalinistischen Linken. Diese Strategie hat im linksextremistischen Antifaschismus überlebt, besonders in Deutschland. Und deshalb ist die fehlende historisch-politische Einsicht gerade auch in der politischen Klasse des "bürgerlichen Lagers" so gefährlich und selbstmörderisch, liefert sie sich dadurch doch der antifaschistischen Machtstrategie unter dem Motto "Der Feind steht Rechts!" immer wieder hilflos aus. In Köln hat nun das Messer der Salamitaktik bereits die Kernmannschaft der Union erreicht. Das antifaschistische Ziel bleibt, die Republik nach links zu kippen. Wann wird man je verstehn?

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


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