© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/04 02. April 2004

UMWELT
Extremer Unsinn
Volker Kempf

Der Zukunftsrat der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat seine Visionen vorgelegt: 3,5 Prozent "Wirtschaftswachstum" in den Jahren bis 2015 sollen möglich werden. Nicht zuletzt die Wissenschaft soll es richten. Nimmt man den Taschenrechner zur Hand, so ergibt das angepeilte Ziel aber eine Wirtschaftsexpansion von 41 Prozent. Das entspricht einer zusätzlichen Wirtschaftskraft in der Größenordnung, die das Bundesland Hessen leistet, nur daß das Land Nordrhein-Westfalen um diese Dimension nicht mitwächst. Da fragt man sich schon, was in solchen Köpfen vor sich geht, die das als wissenschaftlich verkaufen.

Vielleicht geht es gar nicht um Wissenschaft, sondern Propaganda, dann ginge die Rechnung auf. Die Rheinische Post setzte die genannten "Visionen" sogar auf die Titelseite und jubelt: "Besser spät als nie." Im Umkehrschluß scheint bei einigen Journalisten wohl eher alles zu spät zu sein. Die Geburtenrate soll nämlich auch um ein halbes Kind pro Frau steigen und eine gezielte Zuwanderungspolitik betrieben werden, als seien die Grundstückspreise in dem am dichtesten besiedelten Flächenland nicht schon jetzt extrem hoch, die Städte und Autobahnen nicht bereits verstopft.

Da nützt es auch nichts, Energie etwas effizienter und sauberer zu nutzen. Natürlich braucht man gute Schulen, aber Wettbe­werb unter den Schulsystemen zuzulassen, davor zuckt der Zukunftsrat zurück. Nach dem, was da in der Presse nachzulesen ist, wird in Nordrhein-Westfalen also eine Ressort­forschung betrieben, die man sich hätte sparen können und was dann auch ausgesprochen werden sollte. Doch statt dessen Jubel und Heiterkeit im Blätterwald. In was für irrsinnigen Zeiten leben wir nur?


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