© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/04 16. April 2004

"Weitere Beobachtung erforderlich"
Dokumentation: Das Kapitel über die JUNGE FREIHEIT aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht 2003 des Landes Nordrhein-Westfalen

An dieser Stelle veröffentlichen wir - wie schon die Jahre zuvor - die Passagen über die JF aus dem soeben vorgestellten NRW-Verfassungsschutzbericht 2003, damit sich unsere Leser einen eigenen Eindruck über die dort seit 1995 artikulierten Vorwürfe machen können. Lesen sie hierzu auch den Artikel von Doris Neujahr auf Seite 14 in dieser Ausgabe.

Ideologische Ausrichtung und Strategie

Die Berliner Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT (JF) ist einer um Intellektualisierung bemühten geistigen Strömung innerhalb des Rechtsextremismus zuzurechnen, die vielfach als "Neue Rechte" bezeichnet wird. Diese Facette des Rechtsextremismus vertritt, in Anlehnung an die führenden Köpfe der "Konservativen Revolution" aus der Zeit der Weimarer Republik und mit Blick auf die in Frankreich Mitte der 1960er Jahre entstandene "Nouvelle Droite", mit unterschiedlichen Akzentuierungen antiliberale, antidemokratische, revisionistische und nationalistische Ideen. Gelegentlich greifen Publizisten der "Neuen Rechten" auch auf Ideengeber des italienischen Faschismus zurück. Hauptangriffsziele der "Neuen Rechten" sind die Ideale und Ergebnisse der Epoche der Aufklärung.

Die JF verfolgt offensichtlich - wie auch andere Publikationen der "Neuen Rechten" - eine von dem italienischen Marxisten Antonio Gramsci formulierte Strategie, wonach zunächst die Eroberung der kulturellen Hegemonie als Voraussetzung für die spätere Erringung der politischen Macht anzustreben sei. Zum strategischen Konzept der kulturellen Hegemonie gehört, daß die eigentlichen politischen Ziele nicht immer offen genannt und verfolgt werden, sondern daß rechtsextremistisches Gedankengut möglichst verschleiert transportiert wird. Nach Darstellung der JF setzen grundlegende politische Veränderungen einen "langwierigen geistigen Prozeß" voraus; es komme darauf an, "in sinnentleerte Räume" einzudringen, Begriffe und Positionen gedanklich zu besetzen, "die ihrer ursprünglichen Bedeutung entkleidet worden sind", sowie eine Verankerung in der soziokulturellen Sphäre (Schule, Universität, Arbeitsplatz, Freundes- und Bekanntenkreis) zu erreichen (so ein langjähriger JF-Redakteur in einem früheren Beitrag; JF 25/1998).

Der Untertitel der JF "Wochenzeitung für Politik und Kultur" verdeutlicht den Brückenschlag zwischen politischer Zielsetzung und kultureller Note. Dabei ist auch die Bandbreite des Kulturteils der JF bemerkenswert. Regelmäßig werden Neuerscheinungen aus Musik, Film und Literatur vorgestellt und rezensiert. Auffallend ist, daß bei der Auswahl verschiedene stilistische Elemente abgedeckt werden, die offensichtlich unterschiedlichen Leseransprüchen und Altersgruppen gerecht werden sollen.

Erneute Klage der "JUNGEN FREIHEIT" gegen das Land NRW

Im September 2003 strengte die JF ein erneutes Verwaltungsstreitverfahren gegen das Land Nordrhein-Westfalen an. Gegenstand der Klage ist die Beobachtung der JUNGEN FREIHEIT durch den Verfassungsschutz und die Erwähnung der JF im Verfassungsschutzbericht in der Rubrik "Rechtsextremismus". Bereits 1996 führte die JF eine vergleichbare Klage über zwei Gerichtsinstanzen und unterlag. Die JF hat wegen der gerichtlichen Entscheidungen in diesem alten Verfahren Verfassungsbeschwerde eingelegt, über deren Annahme das Bundesverfassungsgericht bisher nicht entschieden hat.

Weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung

In 2003 wurden der Gedanke Gramscis und die Thematik der kulturellen Hegemonie in der JF wieder aufgegriffen. So widmete sich die JF in Ausgabe 51/2003 aus Anlaß des 60. Geburtstags von Alain de Benoist ausgiebig ihrem langjährigen ständigen Mitarbeiter (seit 1998) und hob unter der Überschrift "Chefideologe wollte er nie sein" seine Wirkung auf die deutsche "Neue Rechte" hervor. In seinem Artikel schreibt der JF-Autor, Benoist habe mit seinem Buch "Kulturrevolution von rechts" (1985) und seiner Adaption der Theorie zur Erringung einer kulturellen Hegemonie des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci besonders in Deutschland bei den jungen Rechten "eine große bis heute spürbare Wirkung erzielt". Dies wohl auch deshalb, so heißt es weiter, weil diese Theorie zur Zeit den einzig nennenswerten Ausweg aufzeige, außerhalb ständiger Neugründungen von Splitterparteien dennoch politisch sinnvoll, eben im vorpolitischen Raum, tätig zu sein. Der Artikel endet mit der Feststellung, im Hinblick auf seine jüngsten Veröffentlichungen habe die Aktualität der Ideen Benoists gerade erst begonnen. Mit seinem Verständnis gerade auch für die deutsche Kultur und Geschichte sei er ein Glücksfall für die junge deutsche Rechte.

Im Zuge der Diskussion um das Zuwanderungsgesetz schrieb ein ständiger JF-Autor in seiner Kolumne (JF 13/2003) unter der Überschrift "Multikultistan": "Immer wieder lugt hinter aller rot-grüner Rhetorik das Endziel der Abschaffung der deutschen Mehrheit und der Errichtung von Multikultistan im schon genug geplagten Mitteleuropa hervor." Die Träume der "antinationalen Gutmenschen" gingen aber möglicherweise bald zu Ende, hieß es weiter. Es werde ohnedies Zeit, "die gesinnungsethische Politik unserer Gutmenschen, hier möglichst die Sozialstation für den ganzen aus den Fugen geratenen Globus zu errichten, zu beenden". Mit dieser Aussage wurden nicht nur humanitäre Haltungen diffamiert, vielmehr wurde Zuwanderung, die an anderer Stelle auch schon als "Umvolkung" (JF 30/2001) bezeichnet wurde, als ein von politischen Eliten planmäßig betriebener Prozeß dargestellt, um die deutsche Kultur zu beseitigen.

Aktueller Angriff auf das Demokratieprinzip

Eine langjährige JF-Redakteurin stellte in einem Artikel ("Sozialstaat abbauen", JF 40/2003) die Demokratie sowie den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz beziehungsweise das demokratische Prinzip des gleichen Wahlrechts in Frage und machte beide Grundwerte für die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland verantwortlich. Schuld sei "die demokratische Überzeugung, (...) daß jede Stimme gleich zählt, egal wieviel ihr Besitzer leistet". Auch in den USA komme keiner auf die Idee, "daß die Gleichheit des Stimmzettels sich in einer sozialen Gerechtigkeit realisieren müsse". Die in der Verfassung der Bundesrepublik verankerten Menschenrechte wurden von der Autorin als "hehre Versprechungen" verhöhnt. Außerdem beruhe "die fatale Macht der Leistungsschwachen und Leistungsunwilligen" letztlich "auf der Unfähigkeit der Starken, ihre sozial privilegierte Stellung moralisch zu rechtfertigen". Überhaupt könne die Wende nicht von der Politik, sondern nur von der Wirtschaft ausgehen, denn die Struktur der Wirtschaft sei antidemokratisch, und nur solange dies so bleibe, könne die Gesellschaft funktionieren. Im Zusammenhang mit Mißbrauch von Sozialleistungen verwendete sie im selben Artikel die suggestive Bezeichnung "vielköpfige Türkenfamilie mit Nebeneinnahmen", die die Annahme nahelegt, die betreffende Familie habe illegale Nebeneinkünfte.

JF-Hommage an bekennenden Faschisten

In der Doppelnummer 31-32/2003 berichtete die JF unter der Überschrift "Ein großes Familienfest" über ihr 3. Sommerfest 2003 in Berlin, an dem auch Alain de Benoist teilnahm und eine Ansprache hielt. Laut JF habe Benoist in seiner Ansprache an den kürzlich verstorbenen Armin Mohler erinnert und seine Bedeutung für die rechtsintellektuelle europäische Publizistik betont. Benoist bemerkte, "daß die JUNGE FREIHEIT ohne Mohler, ohne die Bücher, die er sein Leben lang veröffentlicht hat, ohne die unzähligen Artikel, die er vor allem in (...) Criticón publizierte, niemals hätte existieren können".

Diese Hommage an Armin Mohler unterschlägt -wie auch andere JF-Artikel zu Mohler - ein wesentliches politisches Bekenntnis Mohlers, das dieser 1995 in einem Zeitungs-Interview abgab und das unter der Überschrift "Ich bin ein Faschist" erschien:

Interviewer: "Sind Sie ein Faschist?"

Mohler: "Ja, im Sinn von Jose Antonio Primo de Rivera..."

Interviewer: "...des Gründers der spanischen Falange, mit deren Hilfe Franco seine Diktatur erreichte. Was bedeutet Ihnen der Faschismus?"

Mohler: "Faschismus ist für mich, wenn enttäuschte Liberale und enttäuschte Sozialisten sich zu etwas Neuem zusammenfinden. Daraus entsteht, was man konservative Revolution nennt."

Interviews als Forum für Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes

Unter der Überschrift "Die NPD ist eine staatstragende Partei" wurde in JF 13/2003 dem Bundesgeschäftsführer der NPD ein fast halbseitiges Interview gewährt, in dem dieser sich über "die üblichen kleinkarierten Sticheleien gegen die nationale Opposition" beklagt und einen Zulauf von jungen Leuten in "Mitteldeutschland" vorhersagt (gemeint sind die neuen Bundesländer).

Wie bereits häufig vor Wahlen von der JF praktiziert, erhielt auch in 2003 (JF 39/2003) vor der Landtagswahl in Bayern der bayerische Landesvorsitzende der Partei "Die Republikaner" unter der Überschrift "Unsere Mitglieder werden verleumdet" Gelegenheit, über "Schwierigkeiten und Erfolge" seiner Partei zu berichten. Der Hauptgrund, daß der Aufstieg seiner Partei gestoppt wurde, seien das "Märchen vom sogenannten Extremismus" und die Verleumdung der Mitglieder. Diese Aussage ließ der gesprächsführende JF-Redakteur kritiklos stehen und unterstrich damit die seit Jahren bestehende Grundlinie der JF: Die "Republikaner" würden zu Unrecht als rechtsextremistisch bezeichnet und erlangten aufgrund dieser Stigmatisierung keine größeren Stimmanteile.

JF würdigt Buch mit revisionistischem Inhalt

In weiten Teilen des rechtsextremistischen Spektrums wird immer wieder der Vorwurf zumindest in Erinnerung gerufen, die Feststellung, Deutschland habe den Zweiten Weltkrieg verschuldet, sei eine Lüge. In JF 35/2003 wurden anläßlich der Besprechung eines Buches ("Die Ursachen des Zweiten Weltkrieges: Ein Grundriß der internationalen Diplomatie von Versailles bis Pearl Harbour"), das sich aus offensichtlich revisionistischem Blickwinkel mit der Schuldfrage am Zweiten Weltkrieg beschäftigt, die revisionistischen Thesen des Buchautors kritiklos übernommen und ihm darüber hinaus sogar "ideologiefreie, nachprüfbar belegte Konfliktforschung" attestiert.

"Wer den Tunnelblick auf deutsches Handeln leid ist und die Behauptung deutscher 'Alleinschuld' als eine intellektuelle Zumutung empfindet, sollte sein Buch lesen", stellte der JF-Autor in seiner Rezension fest. Im weiteren Verlauf des Artikels hieß es: "Dagegen bereiteten - völkerrechtswidrig erpreßt - der 'Vertrag' von Versailles und die für Deutschland gewollt ruinösen Reparationen den nächsten Krieg in Europa vor." Der Politik Polens, Frankreichs, Großbritanniens, des US-Präsidenten Roosevelt und des Sowjet-Diktators Stalin wurde eine jeweilige Mitschuld am Kriegsausbruch beziehungsweise an der Kriegsbeteiligung der USA und der UdSSR zugeschoben. Die Einverleibung des späteren "Reichsprotektorates Böhmen und Mähren" wurde zwar als Erpressung charakterisiert, wodurch sich Hitler "desavouiert" habe, doch anschließend offenbarte der JF-Rezensent Kritiklosigkeit und sogar Verständnis gegenüber der nationalsozialistischen Kriegspolitik und gegenüber deren Urheber Hitler, den er als "klarsichtig" bezeichnete. "Dann setzte Hitler vorsichtig, doch nachdrücklich deutsche Interessen durch: die Wehrhoheit im ganzen Land, die 'Anschlüsse' Österreichs, des Sudeten- und des Memellandes." Im Ergebnis faßte der JF-Autor zusammen: "Das Buch macht klar: Die Welt der Zwischenkriegszeit war ein Haifischbecken der Machtpolitik. (...) Die Westmächte wollten einen Konkurrenten vernichten, die Sowjetunion eine beherrschende Position in Europa gewinnen. Deutschland kämpfte mit seinen Verbündeten schon sehr früh um das nackte Überleben." Das rezensierte Buch ist im Tübinger "Grabert-Verlag" erschienen, der als einer der größten und bekanntesten rechtsextremistischen Verlage in Deutschland gilt.

JF läßt Anzeige mit fremdenfeindlicher Agitation zu

Unter der Überschrift "Bekanntmachung" veröffentlichte die JF in Ausgabe 49/2003 eine großformatige Anzeige des seit Jahren bekannten, rassistisch und fremdenfeindlich agitierenden Vereins "Schutzbund für das Deutsche Volk" (SDV). Laut seiner Satzung ist Zweck dieses Vereins "die Erhaltung der ethnischen und kulturellen Eigenart des deutschen Volkes". In einem 2002 bekannt gewordenen Vorstandsbrief hieß es: "Die Mischehe als Integrationsweg senkt die Zahl der verbleibenden deutschen Elternpaare und damit die Zahl der Geburten mit beiderseits deutscher Abstammung. (Tendenz steigend!) (...) Dahinein ergießt sich der Zuwanderstrom. Ein Gemenge unterschiedlicher Gesellschaften entsteht und zwar mit ständig sinkendem deutschen Anteil. Das läuft in einigen Jahrzehnten auf das Ende unseres Volkes hinaus. Wer hat dieses widernatürliche Ziel vorgegeben?"

Im Text der Anzeige, die an hervorgehobener Stelle auf der JF-Seite "Politik" abgedruckt ist, hieß es, die Bundesregierung und die Parteien schienen die Pflicht zur Erhaltung der Identität des deutschen Volkes zu missachten. Die Mittel, die zur Stabilisierung der deutschen Geburtenzahlen dienen könnten, würden von unzähligen Fremden aufgebraucht. Verantwortungsbewußte Bürger, die hierüber aufklären wollten, würden totgeschwiegen oder ausgegrenzt. Es müsse verhindert werden, daß Deutsche Fremde im eigenen Land würden. Weder wahllose Fremdenliebe noch ideologischer Selbsthaß dürfe die Politik bestimmen. Ausländerfeindlichkeit gebe es in Deutschland nicht mehr als anderswo, wohl aber eine einzigartige Inländerfeindlichkeit. Die Anzeige schließt mit der Aufforderung, Mitglied beim SDV zu werden.

Kampagne der JF gegen die Fachtagung "Neue Rechte"

Ab dem Frühjahr 2003 thematisierte die JF fast wöchentlich die angekündigte Fachtagung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums "Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie?". In ihren Artikeln erhob sie den Vorwurf, einige Referenten der Tagung seien dem Linksextremismus zuzurechnen. Damit stellte sie - zu Unrecht - die Verfassungstreue ausgewiesener Wissenschaftler und auch die wissenschaftliche Seriosität der Tagung in Frage. Darüber hinaus initiierte die JF Zuschriften an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein- Westfalen und versuchte, die Auseinandersetzung in den parlamentarischen Raum zu tragen. Die Fachtagung fand am 8. Oktober 2003 statt. In Ausgabe 43/2003 berichtete die JF über die Tagung und führte ein Interview (Überschrift: "Wir müssen die Regel brechen") mit dem Geschäftsführer des "Instituts für Staatspolitik" (IfS). Dieser hatte zunächst an der Veranstaltung teilgenommen, war allerdings aufgrund seines Verhaltens des Saales verwiesen worden. Im Gespräch mit der JF verteidigte der IfS-Geschäftsführer und Verleger seine Störung der Tagung und forderte darüber hinaus: "Gezielter Regelverstoß muß für uns künftig zur Regel werden, weil wir alle uns die Beschädigung unseres Lebens nicht mehr gefallen lassen dürfen. Im Diskurs gelingt der Sprung über die Mauer aus Kautschuk eben nicht." Auf die Frage des JF-Redakteurs, was seiner Meinung nach die "Neue Rechte" sei, antwortete er: "Eine Notwendigkeit".

Weitere Beobachtung erforderlich

Die JF gewährt auch weiterhin Rechtsextremisten, zum Beispiel aus der NPD, Raum zur Äußerung. Die Gesamtschau der Beiträge der JF belegt unverändert, daß die JF eine kontinuierliche Strategie der Berichterstattung verfolgt und sich der "Neuen Rechten" verpflichtet fühlt. In der JF veröffentlichte Beiträge bieten unverändert Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Ziele.

Foto: NRW-Innenminister Fritz Behrens am 24. März 2004 im Düsseldorfer Landtag: Feindbild "Neue Rechte"


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen