© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/04 14. Mai 2004

Leserbriefe

Zu: "Keine Volksherrschaft" von Andreas Mölzer, JF 20/04

Vorgestanzt

Premierminister Tony Blair hat mit seinem Plan, in Großbritanien über die neue Verfassung der Europäischen Union abstimmen zu wollen, zweifellos eine gewaltige politische Welle, aber auch eine mutige basisdemokratische Entscheidung und Reaktion hervorgerufen. Auch weitere acht europäische Staaten - darunter die deutschen Nachbarn Dänemark, Niederlande, und Luxemburg - bereiten für so eine Abstimmung ein entsprechendes Referendum vor.

Nur unsere sauberen Vorzeigedemokraten in Berlin zögern mal wieder. Die rot-grüne Regierung traut offenbar den eigenen Bürgern nicht mehr. Die offentsichtliche Angst vor einem Scheitern diktiert bislang die ablehnende Haltung, es spiegelt sich fast dieselbe Situation wider wie bei der nicht stattgefundenen Befragung der steuerzahlenden Wähler zur Euroeinführung.

Der Druck aber auf die politische Klasse aller Parteien wächst mit jedem Tag. Rund 75 Prozent der Bundesbürger wollen zum künftigen Europa befragt werden und das mit vollem Recht: Eine vorgestanzte Demokratie braucht wirklich keiner. Warum soll dem mündigen Bürger verwehrt bleiben, was andere Europäer auch dürfen?

Sven Hauke Ericksen, Ganderkesee

 

 

Zu: "Größe allein genügt nicht" von Alain de Benoist, JF 19/04

Armes Europa

Endlich ein Artikel, der schonungslos zeigt, wie Europa durch die EU-Osterweiterung zugrunde gehen wird. Ist es nicht so, daß wir Steuerzahler dafür büßen werden? Ein starkes Europa wird durch die Osterweiterung niemals zustande kommen. Im Gegenteil, wie in den Prognosen eines Mainzer Instituts für Zukunftsforschung zu lesen ist, wird Europa eine Zeit des Untergangs erleben. Das Machtstreben und die "Haben-Mentalität" der neuen Beitrittländer führt zum Absturz. Nur will es noch keiner wahrhaben. Armes Europa!

Juliane Müller, per E-Mail

 

 

Zu: "Letzte Traditionen kappen" von Dieter Stein, JF 19/04

Blanke Wut

Mich packt buchstäblich die Wut, wenn ich lese, daß nun auch der Name Werner Mölders aus der Liste heldenhafter deutscher Soldaten des letzten Krieges gestrichen werden soll. Diese Journalisten des ARD-Magazins "Kontraste" haben doch keine blasse Ahnung von soldatischer Pflichterfüllung und Heldentum und würden vermutlich beim ersten scharfen Schuß in die Hosen machen.

Dieter Gaede, Leichlingen

 

 

Zu: "Der Minensucher" von Klaus Kunze, JF 19/04

Standhafter Idealismus

Man tut Mahler Unrecht an, wenn man ihn nur von seinen (unsäglichen) Entgleisungen her beurteilt, und von der Naivität, mit der er es seinen Feinden leicht macht. Mahler ist ein Aristokrat des Geistes und alles andere als dement. Nur deshalb, weil der Geist selbst (nach Hegel) absolut ist, muß Mahler es auch sein. Das sind keine "altersbedingten Abbauprozesse", sondern es ist ein Prozeß von Identifikation mit dem Ideal. Dabei verliert man leicht die Bodenhaftung und entschwebt in die höheren Sphären, von denen man ergriffen ist. Das ist die Struktur, die hinter den (als lächerlich oder absurd erscheinenden) Phänomenen operiert.

Seinem Ideal (der Freiheit der Völker) war, ist und bleibt Mahler treu. Er ist gleichsam ein "heiliger Krieger" der Morgenröte des zweimal (physisch und psychisch) geborenen Menschen, und erscheint uns (profanen und säkularisierten Rationalisten) daher als eine Art von "Don Quixote". Mahler bleibt standhaft in den alten Träumen des deutschen Idealismus. Seine "Ehre heißt Treue", und zwar genau die Treue zum Ideal, die niemand verstehen kann, der Hegel nicht verstanden hat. Mahler kämpft auf verlorenem Posten und harrt heldenhaft aus, bis seine Hoffnung, durch ihr eigenes Scheitern, die geschaute Sache glaubt.

Wie ich fürchte, überschauen seine Ankläger und Richter diese Dynamik nicht. Jeder abgelehnte Beweisantrag und jede Verurteilung machen ihn und sein Ideal stärker. Man kann Gedanken nicht verbieten. Die einzige Möglichkeit (die eröffnet ist) wäre, die Logik des besseren Argumentes einzubringen, denn dieser ist Mahler verpflichtet. Dazu müßte man sich aber mit den Inhalten seiner Philosophie auseinandersetzen, und damit aufhören, ihn nur persönlich anzugreifen. Man kann Geist nur durch Geist bekämpfen.

Dr. Joachim Bullinger, Offenbach

 

 

Zu: "Nationaler Selbsthaß auf die Spitze getrieben" von Claus-M. Wolfschlag, JF 19/04

Neues Licht

Wie kommt man raus aus solchen Haßkampagnen, die den Charakter von Volksverhetzung offen vor sich hertragen? Die Antwort ist einfach: Man muß statt Verdammnis Andersdenkender unbefangen die Realität in Augenschein nehmen. Dazu hat Rita Süssmuth einen Artikel in Osteuropa Heft 5/2002, S. 631-641, "Neue Erkenntnisse durch neue Archivfunde" abdrucken lassen. Darin wird die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Kriegszeit in ein völlig neues, geradezu revolutionäres Licht gestellt.

Wenn wir von Volksverhetzung und Antisemitismus loskommen und eine friedliche Zukunft anstreben wollen, müssen wir Ideologien beiseite legen, Diskriminierungen einstellen und uns bei der Vergangenheitsbewältigung zu allererst ganz sachlich mit der Realität, "wie es wirklich war", befassen.

Dr. Rudolf Großkopf, Königsbronn

 

 

Zu: "Die Verfassung als Evangelium" von Josef Schüßlburner, JF 18/04, und "Den direkten Weg gehen" von Dieter Stein, JF 19/04

Nicht nachvollziehbar

Josef Schüßlburner hat in der vorletzten Ausgabe Ihrer Zeitung einen für mich als Nicht-Juristen höchst interessanten und anregenden Artikel veröffentlicht. Darin weist er stringent den - im Gegensatz zu gewissen Ereignissen der jüngeren deutschen Geschichte meines Erachtens tatsächlich offenkundigen - Prozeß einer Substitution der qua Grundgesetz garantierten "Volkssouveränität" zugunsten einer "Verfassungs-" respektive "Gerichtssouveränität" als politisch motivierter, multikulturalistisch orientierter Grundgesetzinterpretation sowie deren verwaltungsrechtliche Folgen auf. Er tut dies in einer von hoher Sachkenntnis geprägten, den Leser äußerst nachdenklich stimmenden, wenn nicht gar aufrüttelnden Art und Weise.

Dieter Stein meint nun seinerseits, in diesem Artikel eine mangelnde Distanz gegenüber dem potentiellen Vorwurf der "Verfassunsfeindlichkeit" zu erkennen. Diese Kritik ist nicht nachvollziehbar. Schüßlburner erweckt gerade nicht den Eindruck, er gehe von einer inhaltlichen Übereinstimmung von Grundgesetz und derzeitiger Auslegungspraxis aus. Er argumentiert nach meinem Dafürhalten in nuce deckungsgleich mit Stein. Von Verfassungsfeindlichkeit findet sich bei Schüßlburner keine Spur. Dies zeigt sich mehrfach im Text, allein schon im ersten Satz, wo mit der Differenz zwischen staatlicher "Erscheinungsform" und Grundgesetzbestimmung argumentiert wird. Dieter Stein kann dies nicht entgangen sein. Seine Schüßlburner-Replik war inhaltlich unnötig wie ein Kropf. Sie läßt sich nur erklären als ein vorauseilender Gehorsam gegenüber den politisch-korrekten Gesinnungswächtern vom Schlage jener nordrhein-westfälischen "Verfassungsschützer", die mit dem "Kampf gegen Rechts" ihre eigene Legitimationskrise zu bemänteln suchen. Man ist versucht zu unterstellen, aus Steins Artikel spräche nicht dessen eigene Meinung, sondern die von ihm antizipierte Interpretation des Schüßlburner-Artikels durch die Möller-Behörde. Dieser aber wird es herzlich egal sein, ob sich Herr Stein post hoc von dem Verfasser distanziert oder nicht. Sie betreibt in bezug auf Argumente "rechter" Provenienz genau das, was beide Artikel, auf welche hier Bezug genommen wird, nicht tun - die illegitime Gleichsetzung einer auf die Ebene der politischen Praxis zielenden Kritik mit einer Ablehnung des Grundgesetzes per se.

Thomas Drescher, Böbing

 

Mangel an Mut

Dieter Stein hat schon mehrfach über die Feigheit der Bürgerlichen gelästert. Seine Distanzierung von der Fundamentalkritik Josef Schüßlburners kann man auch als Anzeichen eines Mangels an Mut sehen. Die darin benutzte Argumentation erinnert an das Gerede von der "unsichtbaren Kirche" oder dem "geheimen Deutschland" vergangener Zeiten. Die subjektive Treue zu einer idealisierten Verfassung feit nicht gegen die Verfolgung durch einen Staat, der dem Bürger gewöhnlich nur in Form "subalterner Behörden" gegenübertritt. Schüßlburners Polemik richtete sich gegen die herrschende Auslegung des Grundgesetzes, aus dem man privat auch anderes herauslesen kann.

Das an Hiob erinnernde Vertrauen vieler Rechter auf den Rechtsstaat verblüfft mich immer wieder. Vielleicht verschließt sich mancher aber auch deshalb radikalen Einsichten (wie denen von Schüßlburner), weil er die daraus zu ziehenden Konsequenzen fürchtet. Das wäre dann aber intellektuell unredlich, wenn nicht gar feige zu nennen.

Hans-Christof Tuchen, Berlin

 

Verfassung als Zwangsjacke

Unsere Nachkriegsgeschichte beginnt mit der Zwangsjacke einer Verfassung, die uns von den Siegern angelegt wurde. Die Verfassung als Gesetz gilt als eine Art Evangelium. Politische Souveränität beim Volk wird beseitigt und politische Macht durch Interpretation der Verfassung ersetzt. Diejenigen, die das Gesetz auslegen und politisch anwenden, besitzen diktatorische Gewalt. Sobald jemand versucht, die deutsche Vergangenheit in ihren europäischen Kontext einzuordnen, riskiert er eine Inquisition, wird zur Zielscheibe von Medienkampagnen. Der letzte Inquisitionskandidat in einer Reihe von prominenten Persönlichkeiten war Martin Hohmann. Alle mußten Boykott, Existenzvernichtung und Angriffe ertragen.

In einer Demokratie muß diese Auseinandersetzung geführt werden. Es geht um unsere Identität und um die Deutungshoheit über unsere Geschichte.

Anton Fischer, Eppingen

 

Gut verteidigt

"Meinungsfreiheit und Tabu" - ist das Grundgesetz über jede Kritik erhaben? Darf unsere Ersatzverfassung tatsächlich nicht angetastet werden? Diese Auffassung wäre politisch korrekt. Im Glashaus sitzend nicht mit Steinen zu werfen, ist sicher klug, doch sollte die JF zur Vermeidung von Irritationen konservative Positionen nicht zurückweisen, nur weil sie sich selbst an den letzten Strohhalm "Grundrechte" klammert.

Die Kritik an unserer Verfassungswirklichkeit halte ich für berechtigt und notwendig: De facto und gemäß Artikel 146 ist das Grundgesetz ein Provisorium. Bislang durfte das deutsche Volk über eine Verfassung nicht frei entscheiden und beschließen. Das Beste aus diesem Provisorium zu machen, es in die Pflicht zu nehmen und für die verbrieften Rechte - gegen Machtmißbrauch zu kämpfen, ist allerdings das Gebot der Stunde und eine Lebensaufgabe. In diesem Punkte pflichte ich Dieter Stein bei.

Theo Hirschboeck, per E-Post

 

 

Zu "Blanker Hohn" von Manuel Ochsenreiter, JF 18/04

Vorgegaukelt

Es ist erstaunlich, wozu der Begriff "demokratisch" heutzutage herhalten muß. Demokratie ist ja lediglich eine wertfreie Staatsorganisation, in der das Volk (theoretisch!) selbst oder durch gewählte Repräsentanten die von ihm gewünschte Politik verwirklicht. Ob diese dann friedlich, aggressiv, sozial, kapitalistisch oder sonstwie ist, steht auf einem anderen Blatt. Von unserer Politkaste wird aber speziell der Begriff "undemokratisch", ähnlich wie "rechts" oder "konservativ", als Totschlagvokabel gebraucht, um Ansichten oder Sachverhalte, die nicht eigenen Vorstellungen entsprechen oder ihnen gar konträr sind, von vornherein abzuwürgen und einer Diskussion zu entziehen, besonders, wenn die eigenen Positionen dabei schwach wären. "Demokratisch" nennen sie dagegen, was sie für richtig halten und was für sie gut ist. Das, was tatsächlich undemokratisch ist, nämlich dem Volk vor Wahlen Programme und Maßnahmen vorzugaukeln, die nachher nicht eingehalten werden und somit den Willen des Volkes hintergehen, ist aber bei ihnen an der Tagesordnung.

Adalbert Taufler, München

 

 

Zu: "Untauglicher Versuch der Legitimation" von Horst Boog, JF 18/04

Pflichten der Staatskunst

Der argumentreiche Beitrag verdient eine große Leserschaft. Boog zeigt, daß britische Militärhistoriker immer wieder ethische und völkerrechtliche Aspekte ausblenden, wenn es um Terrorbombardements der Royal Air Force (RAF) geht. Während des Zweiten Weltkriegs war das zunächst anders. Diese Art der Kriegführung wurde als legitim gepriesen. In ihrer Zweistufigkeit erinnert sie an die Nazi-Barbarei gegenüber "Untermenschen". Zunächst sprachen nationalistisch-rassistische Teile der britischen Oberschicht deutschen Menschen die Menschenwürde ab (Hunnen); alsdann vernichtete die RAF unter dem Etikett "Operation Gomorrha" das Zentrum und die Arbeiterwohnviertel Hamburgs.

John Rawls (1921-2002), bedeutendster Moralphilosoh der Gegenwart (und US-amerikanischer Weltkriegsteilnehmer im pazifischen Raum), sagt zu diesem Thema folgendes: "Die Bombardierung von Dresden im Februar 1945 war klarerweise zu spät ... Wie töricht klingt es heute, Deutsche und Japaner pauschal als Barbaren oder 'Bestien' (US-Präsident Truman) zu bezeichnen. Auf die Nationalsozialisten und die Tojo-Militaristen trifft dies zu, aber sie sind nicht das deutsche oder japanische Volk.

Churchill führt seine Fehlbeurteilung der Bombardierung Dresdens auf die Leidenschaftlichkeit und Intensität des Konflikts zurück. Es ist jedoch eine Pflicht der Staatskunst, zu verhindern, daß solche Gefühle, wie natürlich und unvermeidlich sie auch sein mögen, von dem Kurs ablenken, den wohlgeordnete Völker in ihrem Streben nach Frieden verfolgen müssen."

Dr. Björn Schumacher, Saarbrücken

 

 

Zur Dokumentation "Eingedenk seiner mehr als tausendjährigen Geschichte" von Konrad Löw, JF 17/04

Böser Wille?

Der Text von Konrad Löw läßt sich beim bösesten Willen nicht als Relativierung der Naziverbrechen brandmarken. Aber er sei "dazu geeignet"! Diese Konstruktion erinnert an die berühmten "begründeten Anhaltspunkte für den Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen", deren die JUNGE FREIHEIT seit bald zehn Jahren verdächtigt wird.

Geeignet, Hitlers Verbrechen zu relativieren, sind alle Schriften, die sich mit anderen Genoziden oder politischen Massenverbrechen beschäftigen wie zum Beispiel über die Verbrechen an den Armeniern 1915, den Kulaken oder den Gulag. Am besten all diese Schriften gleich verbrennen, pardon: makulieren!

Jens Geissler, Berlin-Karow

 

Zur Dokumentation des NRW-Verfassungsschutzes, JF 17/04

Fest eingebunden

Bei der Lektüre des Verfassungsschutz-Berichts NRW 2003 über die JF habe ich mich köstlich amüsiert. Das Foto von Fritz Behrens spricht Bände, sieht man doch an seiner Physiognomie, daß er die ganze Sache selbst nicht ernst nimmt, und so ist es ja auch dem Text zu entnehmen. Die Dialektik entspricht der des MfS in der früheren DDR, und man glaubt, das Neue Deutschland anno 1980 zu lesen.

Ihre Leserschaft hingegen ist so fest in die Demokratie des wirklichen freien Deutschlands eingebunden, daß man Scharlatanerien der vorliegenden Art eigentlich gar nicht ernst nehmen kann. Mit Sicherheit wird Ihnen ein Interview mit Helmut Kohl schon bald, mit Helmut Schmidt etwas später, als Rechtsextremismus ausgelegt werden. Warum eigentlich räumen Sie diesen Politruks einen so breiten Raum in Ihrer Zeitung ein? Tiefer hängen - hat schon Friedrich II. gesagt!

Was Ihr Lamento über die Zensur des Deutschland Archivs angeht, kann ich Ihnen gar nicht folgen: Das war doch eine informationspolitische Meisterleistung! Irgendwie läßt sich die historische Wahrheit nicht länger unterdrücken, die pol-cor steht dem aber noch entgegen. Also schaut man erstmal zur Seite, läßt es schreiben und wenn es dann öffentlich ist, distanziert man sich vehement - um den professionellen Anstoßnehmern zuvorzukommen. Sie hätten dem Bundesinnenministerium dazu gratulieren sollen, anstatt es anzugreifen, und der große Beifall wäre Ihnen sicher gewesen.

Peter Schack, Almeria


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