© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/04 21. Mai 2004

Gefährliche Liebschaften
Finanzmarkt: Der Verkauf der einstmals staatlichen Postbank an die Deutsche Bank findet nicht statt
Andrea Mayer

Der erste große Börsengang seit dem Platzen der "New Economy"-Blase im Jahre 2000 gab in den letzten Wochen breiten Anlaß zu öffentlichen Spekulationen. Während bei der Deutschen Post AG und deren Tochter Deutsche Postbank AG die Vorbereitungen für den Börsengang auf Hochtouren laufen, erhärtete sich in den letzten zwei Wochen das urplötzlich aufgetauchte Gerücht, der "IPO" (Initial Public Offering - denglisch für Börsengang) würde zugunsten eines Verkaufs der Postbank an die Deutsche Bank verworfen werden.

Während sich die Protagonisten in Schweigen hüllten, entbrannten hitzige Diskussionen um das mögliche Szenario, bis schließlich am vergangenen Donnerstag ein offizielles Dementi von Post und Postbank der Phantasie der Beobachter ein abruptes Ende bereitete.

Vor dem Hintergrund der langjährigen, elementaren Ertragsschwäche deutscher Kreditinstitute, die nur durch die zu Börsenhochzeiten erzielten Gewinne im Wertpapiergeschäft wettgemacht werden konnte, lockten beim Branchenprimus Deutsche Bank offensichtlich die steigenden Gewinne des Finanzablegers der Post mit seinem breitgefächerten Kundenstamm im vernachlässigten Privatkundengeschäft und die seit Jahren stetig wachsenden Gewinne.

Wurde die Postbank aufgrund ihrer einstigen gesetzlichen Verpflichtung, jeden Kunden aufnehmen zu müssen, von renommierteren Adressen vor Jahren noch als "Pennerbank" belächelt, so hat sich das Institut in den letzten Jahren zum Marktführer im Privatkundengeschäft gemausert, dessen Klientel mit teils rüden Methoden von den anderen großen Geldhäusern verärgert und vergrault wurde. Als die Spekulationsblase der weltweiten Aktienmärkte pünktlich zum Millennium platzte, kehrte die späte Einsicht ein, daß dieses Marktsegment zwar keine Rekordgewinne beschert, jedoch aufgrund der Gleichmäßigkeit auf einer solideren Basis steht als die hochtrabenden Drahtseilakte versnobter Investmentbanker und das als "Private Banking" titulierte Umwerben wohlhabender Bevölkerungsschichten.

Durch die im Rahmen der schwindsüchtigen Aktienmärkte stark in Mitleidenschaft gezogene Marktkapitalisierung der Deutschen Bank wäre der Zukauf und die einhergehende Verdoppelung des Kundenbestands eine wirksame Präventivmaßnahme gegen eine stets drohende feindliche Übernahme durch einen größeren Wettbewerber wie beispielsweise den weltgrößten US-Finanzkonzern Citigroup (Citibank) gewesen. Jedoch räumt die eher als konservativ geltende Deutsche Bank mit ihrer Neuausrichtung indirekt auch Strategiefehler in ihrem Markengeschäft mit der "Bank 24" ein.

Während sich anläßlich der Kaufgerüchte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi über einen befürchteten Stellenabbau bei Post und Postbank entrüstete, wohingegen Finanzkreise weitere Massenentlassungen beim angeblichen Kaufinteressenten Deutsche Bank für naheliegender erachteten, sorgte ein weiterer ernstzunehmender Umstand für allgemeines Stirnrunzeln und weltweite Empörung an den Börsenplätzen: Die Deutsche Bank ist, zusammen mit dem US-Kreditunternehmen Morgan Stanley, der Hauptkonsortialführer für den Börsengang. Die damit einhergehenden tieferen Einblicke in die Finanzlage des Aspiranten lassen somit die Grenzen zu sogenannten Insidergeschäften deutlich verwässern, zumal man auch beim regulären Börsengang von den angeheizten Aktienkursen profitierte. Der Imageschaden dehnt sich scheinbar inzwischen in umgekehrter Richtung aus, da sich der durch die Mannesmann-Vodafone-Affäre ohnehin strittige Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann und der Aufsichtsratsvorsitzende Rolf E. Breuer an der Thematik zu zerstreiten drohen.

Der Schweizer Ackermann plädiert für einen europäischen Zukauf vom Schlage einer Credit Suisse, wohingegen Breuer, zugleich Präsident des Bankenverbandes, "patriotisch" die Postbank favorisiere. Dieser Eklat könnte sogar in einem Führungswechsel beim Branchenprimus gipfeln.

Nicht weniger verwirrend gestalten sich auch die Kooperationen und Beteiligungen innerhalb der hiesigen Finanzwelt. So hat beispielsweise im vergangenen Jahr die Postbank komplette Vertriebsteile der Credit Suisse in Deutschland erworben. Auch die hälftig der HDI-Versicherung und Postbank zugehörige PB-Versicherung, die sich durch den aggressiven Vertrieb ihrer Riester-Rente in die öffentliche Kritik brachte, teilt sich bei genauerem Hinschauen ihre Verwaltung mit dem ebenfalls sehr offensiv arbeitenden Versicherungsarm der Citibank.

Umgekehrt wickelt die Postbank bereits seit Herbst 2003 den kompletten Zahlungsverkehr für die Deutsche Bank ab. Für eine derartige Auslagerung interessiert sich auch die Dresdner Bank, deren Fusion mit der Deutschen Bank bekanntlich ebenfalls scheiterte und nun nur noch über deren Mutterkonzern Allianz wieder denkbar wäre.

Für eine sich bereits seit längerem abzeichnende Konsolidierung am deutschen Bankenmarkt sprach sich dieser Tage auch der Bundeskanzler aus und nährte damit die Spekulationen um das Milliardengeschäft zusätzlich. Zwar würde eine international stärkere deutsche Großbank auch die eigene Wirtschaft des Landes stützen, jedoch zielen die Reformbemühungen der Kreditinstitute eher in die Richtung der Aufspaltung des sogenannten Drei-Säulen-Modells von privaten Banken, staatlichen Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Besonderes Augenmerk gilt dabei den Sparkassen, die durch staatliche Garantien bonitäre Vorteile bei ihrer Refinanzierung haben und somit aus Sicht der Mitbewerber den Wettbewerb behindern. Nach jetzigem EU-Recht fallen diese ab 2006 jedoch weg. Damit ist eine Bereinigung am Finanzmarkt vorprogrammiert, so daß noch reichlich Fusionen und als solche bezeichnete Sanierungsmaßnahmen die deutsche Bankenlandschaft nachhaltig verändern werden.

Und trotz ihrer obskuren Umstrukturierungs- und rüden Personalpolitik wurde die Postbank von der Finanzzeitschrift DM-Euro zur "Besten Bank Deutschlands" (McKinsey-Jury) gewählt. Schließlich dürstet der Aktienmarkt nach einer neuen Erfolgsstory, welche auch die Binnenwirtschaft beleben und damit diesem Land zugute kommen würde.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen