© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/04 28. Mai 2004

Ein Signal des Aufbruchs
Tagungsbericht: Über 600 Teilnehmer hielten die Organisatoren in Atem / Eine Video-Dokumentation soll in einem Monat zur Verbreitung der Reden beitragen
Ronald Gläser

Das 7. Berliner Kolleg am vergangenen Wochenende war ein großer Erfolg. Zu dieser vom Institut für Staatspolitik bestens organisierten Vortragsveranstaltung war gemeinsam mit der JUNGEN FREIHEIT seit Wochen eingeladen worden. Die Zahl der aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Teilnehmer überstieg alle Erwartungen. Weil 600 statt der angemeldeten 400 Besucher kamen, konnte so manch einer die Veranstaltung nur vom Vorraum des Saales im Berliner Logenhaus aus verfolgen. Durch die hohe Zahl verzögerte sich der Beginn um nahezu eine halbe Stunde, die durch straffe Abfolge rasch wieder aufgeholt wurde. Institutsleiter Götz Kubitschek führte routiniert durch die Veranstaltung und verabschiedete zum Schluß die Teilnehmer persönlich.

Beeindruckt zeigten sich viele Anwesende von der großen Videoleinwand, auf die die Vortragenden zusätzlich übertragen wurden - wie man es von Großveranstaltungen mittlerweile gewohnt ist. Auch andere Medien nahmen vom ersten öffentlichen Auftritt des früheren Brigadegenerals Günzel Kenntnis. Unter den Teilnehmern waren neben Prominenten wie dem ehemaligen Berliner Bürgermeister und CDU-Innensenator Heinrich Lummer sowie dem Historiker Ernst Nolte auchzahlreiche Journalisten. Dafür fiel jedoch das Presseecho ausgesprochen spärlich aus. Lediglich die Berliner Zeitung berichtete und mokierte sich dabei über das "Kameradschaftstreffen" von Günzel und Hohmann.

Der Titel der Tagung lautete "Meinungsfreiheit und Tabu". Im ersten Redebeitrag setzte sich Karlheinz Weißmann mit den Tabus der aufgeklärten Gegenwart auseinander: Die alten Tabus seien von den 68ern vernichtet und durch neue ersetzt worden.

Explizit nannte er die Achtung der Ahnen, Sexualität, Religion und die Obrigkeit. Diese Tabus wurden durch neue (linke) Tabus ersetzt. Als Beispiel führte er die gepredigte Toleranz gegenüber allen erdenklichen sexuellen Vorlieben an. Bei Tabus, so Weißmann, gehe es nicht um die Frage "richtig oder falsch", sondern um "mächtig" oder "machtlos" (siehe Dokumentation auf Seite 8).

Der Soziologe Bernd Rabehl referierte zum Thema "Tabu und Gegenöffentlichkeit". Der frühere Mitstreiter Rudi Dutschkes analysierte die Strategien der 68er, die eine Gegenöffentlichkeit zur offiziellen US-Hegemonialpolitik hergestellt hatten. Er schilderte anhand seines eigenen Falles, als er aufgrund eines Vortrags bei der Münchner Burschenschaft Danubia ins Visier der Antifa geriet, welche Formen "Tabuverletzungen" haben können (siehe auch ausführliches Gespräch mit Rabehl auf Seite 3).

Dieter Stein sprach über das totalitäre Klima, "das unser Land fest im Griff hat" (siehe Dokumentation Seite 12). Daß diese Veranstaltung störungsfrei ablaufe, sei keine Selbstverständlichkeit. Er erinnerte an die "politischen Säuberungen", die seit Jahren etliche "rechte" Persönlichkeiten diskreditierten: Diwald, Nolte, Jenninger, Heitmann, Walser, Möllemann, Hohmann, Günzel, Löw.

"Das bürgerliche Lager ist auf Knopfdruck erpreßbar", sagte Stein. Beim "Aufstand der Anständigen" im Jahre 2000 habe die CDU gegen sich selbst demonstriert. Die Union zieht sich aus nackter Angst selbst die Zähne, führte Stein weiter aus. Mit der CDU-Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld forderte er: "Wir müssen diesen verhängnisvollen Mechanismus durchbrechen."

Als Ursache machte Stein ein strukturelles Defizit des konservativen Lagers aus. Die CDU-regierte Stadt Köln sponsert heute sogar noch die Verunglimpfung von Spitzenpolitikern der Union.

182 Millionen seien bereits in den Kampf gegen Rechts geflossen, empörte sich Stein. Und die Union widersetze sich dem nicht wirklich. Vielmehr isoliere sie Menschen wie Martin Hohmann auf Druck der politischen Linken. Deshalb lautete seine Forderung: "Feigheit muß sozial geächtet werden."

Der Gründer der "Initiative Kritische Solidarität mit Martin Hohmann" und frühere ZDF-Journalist Fritz Schenk zitierte zu Beginn seiner Rede den Artikel 5 des Grundgesetzes: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (...) Eine Zensur findet nicht statt."

Er erinnerte an seinen Kampf - gemeinsam mit Gerhard Löwenthal - für politisch Verfolgte. Die "Initiative Kritische Solidarität mit Martin Hohmann" habe alles in den Schatten gestellt, was er, Schenk, bislang in dieser Hinsicht erlebt habe.

Die Aussage von Fraktionsvize Wolfgang Bosbach, der den Hohmann-Unterstützern die "harte Kante" androhte, habe ihn eher noch angespornt. Leider, so Schenk, habe es keinerlei Reaktion von der CDU-Spitze gegeben.

In einer immer wieder von Beifall unterbrochenen Rede - eine Abschrift lag bis Redaktionsschluß leider nicht vor - zeichnete Schenk die Fieberkurve der Kampagne gegen Hohmann nach. Von der ersten Tagesschau-Meldung, die die Falschmeldung kolportierte, Hohmann habe "die Juden als Tätervolk" bezeichnet, über den "Fall Günzel" bis hin zum Leipziger CDU-Parteitag Anfang Dezember 2003, auf dem die Partei den Schlußstrich unter die Affäre zog. Schenk demonstrierte mit seiner kämpferisch und frei gehaltenen Rede, daß er nicht bereit ist, klein beizugeben. Die erste Auflage von 10.000 Exemplaren seiner im Universitas Verlag erschienenen Dokumentation "Der Fall Hohmann" sei nahezu restlos vergriffen - "einen Monat nach Erscheinen". Die zweite Auflage sei in Vorbereitung.

Um die Pressefreiheit sei es nicht gut bestellt, sagte Schenk und fragte: "Wo war die freie Presse, als General Günzel entlassen wurde?" Der war selber anwesend und hielt seine mit Spannung erwartete Rede (siehe Dokumentation auf Seiten 10-11). Dabei gelang es ihm, unter Beweis zu stellen, daß er nicht nur ein guter Soldat ist. Immer wieder riß er die Zuhörer zu Beifallsstürmen mit, die am Schluß stehend minutenlang applaudierten.

Reinhard Günzel verglich die Situation der Meinungsfreiheit mit der in Staaten wie Rußland, Libyen und Kuba. Selbst in den übelsten Diktaturen würden Soldaten nicht so aus dem Amt gejagt wie er. Er fühle sich als deutscher General einem Terroristen gleichgesetzt. Selbst wer unter Drogeneinfluß oder im Vollrausch einen Autounfall mit Todesfolge begangen oder das Silber seines Regiments gestohlen hätte, wäre unter ehrenvolleren Umständen entlassen worden als er, rief Günzel.

Der Elite-General sprach über den Niedergang des deutschen Offizierkorps, von dem er persönlich schwer enttäuscht sei. Dies alles sei das Ergebnis der jahrelangen Arbeit der 68er. Diese hätten Denkmäler für unsere Soldaten geschliffen und Deserteure zu Helden hochstilisiert.

Von Verteidigungsminister Peter Struck, der ihm die ehrenvolle Entlassung verweigert hatte, sei er nicht enttäuscht, führte Günzel weiter aus. "Enttäuscht werden kann man nur, wenn man eine bestimmte Erwartungshaltung von jemandem hatte." Das war nicht das einzige Mal, daß das Publikum lachen mußte.

Günzel zog für die Charakterisierung der Bundeswehrführung einen historischen Vergleich aus dem alten Rom heran. Da habe das Licht auch zugenommen, wenn der Kaiser kam. Warum? Weil sich die Sonne auf den verneigten Glatzköpfen der unterwürfigen Senatoren gespiegelt habe.

In der Bundeswehr würden nur noch fachliche Eigenschaften verlangt. Der Charakter eines Offiziers spiele keine Rolle. Er spricht von einer Armee von Duckmäusern.

"Wir lassen uns das Denken verbieten von Leuten, vor denen wir vor 25 Jahren noch mit Polizeiaufgeboten geschützt werden mußten", sagt Günzel in Anspielung auf die öffentlichen Gelöbnisse, die Menschen aus dem politischen Umfeld von Fischer & Co. in den 1980er Jahren regelmäßig durch Krawall unterbunden haben.

Vor Günzel hatte auch Hohmann außerplanmäßig kurz das Wort ergriffen. Schon bei seinem Erscheinen spendeten die Teilnehmer großen Beifall. Er sprach über sein Ausschlußverfahren aus der Partei und kündigte an, wenn nötig bis zum Bundesverfassungsgericht dagegen klagen zu wollen.

In den Pausen konnten sich die Teilnehmer an Büchertischen des Instituts und der JUNGEN FREIHEIT mit Literatur und Informationsmaterial versorgen. Bei Eintopf, Selter und Kaffee wurde an den zahlreichen Stehtischen heiß diskutiert und Visitenkarten ausgetauscht.

Götz Kubitschek räumte abschließend selbstkritisch ein, das Institut für Staatspolitik sei mit der Größenordnung dieses Berliner Kollegs "an Grenzen gestoßen". Trotzdem hoffen viele Teilnehmer auf Wiederholung solcher Veranstaltungen in diesem Rahmen. Ohne Unterstützung der Institutsarbeit wird dies jedoch nicht möglich sein.

Die Veranstaltung wurde gefilmt, und aus dem Rohmaterial soll ein Video produziert werden. Die unzähligen Bestellungen, die am Ausgang abgegeben wurden, sprechen eine klare Sprache: Die Teilnehmer verließen das Logenhaus begeistert.

 

Kontakt: Institut für Staatspolitik, Rittergut Schnellroda, 06268 Albersroda, Tel./Fax: 03 46 32 / 9 09 42, Internet www.staatspolitik.de 

Fotos: Stehender Applaus: Reinhard Günzels Rede riß die 600 Zuhörer mit Bernd Rabehl: Tabus und Diskussionsverbote im Wandel der Zeit Martin Hohmann: Wehrt sich gegen seinen Parteiausschluß / Götz Kubitschek: Straff durch das Programm geleitet / Fritz Schenk: Eine Großleinwand verstärkt die Wirkung der Referate / Mittagspause: Eintopf für alle Tagungsthema Meinungsfreiheit / Prominente Gäste: J. Rogalla von Bieberstein, Ernst Nolte (von rechts) / Gesprächsrunde: G. Kubitschek, General Günzel, K. Weißmann (v. l. n. r.) / Dieter Stein: Feigheit und Opportunismus sozial ächten


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