© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/04 28. Mai 2004

Meldungen

Die Bürgerkriegsparole "Niemals vergessen!"

BERLIN. Eine "nationaltherapeutische Geschichtserziehung mittels einer volkspädagogischen Warnungs- und Erweckungsprosa" sei "bestenfalls sinnlos", im Normalfall aber eher kontraproduktiv, da sie jene Geister beschwöre, die sie zu bannen vorgebe. Vor dem Hintergrund des soeben wieder einmal von Salomon Korn entfachten medialen Getöses um das "Blutgeld" Friedrich Christian Flicks (siehe Seite 14) hätte sich der Wiener Philosoph Rudolf Burger, der mit solchen Attacken auf die "Vergangenheitsbewältigung" nicht zum ersten Mal provoziert, keine eindrucksvollere Bestätigung seines Aufsatzes über die "Konjunktur des historischen Bewußtseins" wünschen können (Merkur, 5/04). Burger weist darauf hin, daß Amnesie, also das "Nicht-Erinnern", "in der gesamten europäischen Zivilisationsgeschichte" als eine Friedensformel im Umgang mit extremen Schreckensperioden gewirkt habe. Hingegen sei "Niemals vergessen!" stets eine Kampfparole gewesen, eine Kollektivverpflichtung, unter günstigeren Bedingungen den Feind mit neuen Grausamkeiten zu überziehen. Nach 1945 habe eine hybride Stigmatisierungsmaschinerie ("Tätervolk" und "Land der Täter") mit der zivilisierenden Tradition des Nicht-Erinnerns gebrochen. Durch diese Kampfbegriffe, die für den permanenten Bürgerkrieg mobilisieren, werden Menschen "wie selbstverständlich in einen sozialpsychologisch konstruierten, politisch-moralisch ausbeutbaren Schuldzusammenhang eingezogen", der den "Verdacht einer historisch verursachten Nationalpathologie noch an unsere Kinder und Kindeskinder weitergibt und sie politisch entmündigt".

 

Junkerliches Erbe: Demminer Spurensuche

LÜBECK. In Vorpommern, dem deutschen Eck mit den astronomisch hohen Arbeitslosenzahlen, dürfte man auch nach 1989 vornehmlich andere Sorgen haben als die Bewahrung des "junkerlichen" Erbes an Schlössern und Gutshäusern. Daß deren Verfall unter nicht-sozialistischen Bedingungen trotzdem zumindest partiell gestoppt werden konnte, dokumentiert der reich illustrierte Aufsatz von Karin Heymann und Dirk Schleinert über das bauliche "Befinden" der Herrenhäuser im alten preußischen Landkreis Demmin (Pommern. Zeitschrift für Kultur und Geschichte, 1/04). Beide Autoren tragen dabei eine These vor, die die Mixtur von Vandalismus, proletarischer Bilderstürmerei und notorischer Mangelwirtschaft, der die meisten adligen Profanbauten zum Opfer fielen, halbwegs entschuldigt. Nach ihrer Ansicht habe spätestens die Weltwirtschaftskrise von 1929 dieser luxuriösen Architektur die ökonomische Basis entzogen. Auch unter friedlichen Voraussetzungen hätte daher um 1945 die Stunde der Wahrheit geschlagen: Die meisten der jährlich unrentabler werdenden Gutswirtschaften hätten dann Konkurs anmelden, Herrenhäuser und Stallungen dem Verfall preisgegeben werden müssen. Diese kühne Behauptung sollte nicht daran hindern, ihren Entdeckungspfaden zu folgen. Vom Kleinstädtchen Loitz aus empfiehlt es sich vor allem, die Burganlagen Klempenow und Spantekow sowie das arg heruntergekommene Schloß Broock zu besuchen.

 

Erste Sätze

Zu allen Zeiten, sicherlich, hat das dunkle Rätsel der Vergänglichkeit und die Frage nach einem Fortleben jenseits des Grabes auf Sinnen und Dichten des Menschengeistes starke Macht geübt.

Rudolf Unger: Herder, Novalis und Kleist. Studien über die Entwicklung des Todesproblems in Denken und Dichten vom Sturm und Drang zur Romantik, Frankfurt/ Main 1922


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