© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/04 04. Juni 2004

Erdöl wird langfristig teurer werden
Energiepolitik I: Skurrile Vorschläge in der Benzinpreisdebatte / Euro als "Ölwährung" ändert nichts am weiteren Preisanstieg
Bernd-Thomas Ramb

Rainer Brüderle, FDP-Vize und bis 1998 Mainzer Wirtschaftsminister, hat letzten Dienstag im Deutschlandfunk gefordert, daß ab einem bestimmten Rohölpreis die Ökosteuer ausgesetzt werden sollte. CDU-Vize Christoph Böhr verlangte eine Eingreifen des Bundeskartellamts und einen "Benzinpreisgipfel".

Die bislang armseligste Idee zu Bändigung der steigenden Benzinpreise präsentierte der Spitzenkandidat der CDU für die Europawahl, Hans-Gert Pöttering: Die EU möge sich für die Konstruktion einer "Korbwährung" einsetzen, in der neben dem Euro und anderen EU-Währungen, vor allem dem Britischen Pfund, der US-Dollar eingebunden sein soll, der zur Zeit die Monopolwährung zur Begleichung der nationalen Rohölrechnungen bildet.

Wunschvorstellung des Chefs der EVP-ED-Fraktion im EU-Parlament ist die Befreiung des Ölpreises von Schwankungen des Dollarkurses. Als ob das die Hauptsorge der ölverbrauchenden Länder wäre. Die beschäftigt mehr die anhaltend steigende Tendenz bei den Preisen für Benzin, Erdgas und Heizöl.

Der Vorschlag der Korbwährung beweist - wenn er nicht nur als Wahlmasche dient - einmal mehr den hilflosen und fachlich unqualifizierten Umgang der Politiker mit dem schockierenden Anstieg der Energiepreise. Den Euro als Ölpreiswährung hatte vor geraumer Zeit schon Bundesfinanzminister Hans Eichel ins Spiel gebracht. Damals war der Dollar teuer und der Euro als ungeliebte Weichwährung verschrien. Während SPD-Mann Eichel also mehr eine Imageverbesserung des Euro erhoffte, raubt die heutige Idee des Ölwährungskorbes den Deutschen auch noch den letzten Vorteil beim internationalen Ölpreisdebakel, die momentan starke Position des Euro gegenüber der Ölwährung Dollar. Es sei denn, die EU-Parlamentarier der CDU spekulieren auf eine kommende Euroschwäche.

Spekulieren können auch die Empfänger der "Petrodollars". Arabische Scheichs werden sich ebensowenig wie russische Ölmagnaten die Währung vorschreiben lassen, in der die Energielieferungen bezahlt werden müssen. In der Handhabung schwankender Wechselkurse des US-Dollar besitzen sie im Zweifelsfalle größere Erfahrungen als deutsch-europäische Parlamentarier unbekannter Provenienz.

Mit anderen Worten, Währungsfragen im Ölhandel werden auf den weltweit freien Währungsmärkten erledigt und nicht durch europäische Administration. Unvorstellbar, wenigstens bislang, daß beispielsweise China seine Öllieferungen mit Milliardenbeträgen von chinesischen Yuan bezahlen könnte.

Die Europäer - und nicht nur ihre Europaparlamentarier - täten besser daran, sich Gedanken über die Ursachen des Preisanstiegs auf den Rohölmärkten zu machen. Das Problem ist nicht die Währungs-, sondern die Marktdynamik. Angebot und Nachfrage nach Öl zeigen heute andere Strukturen als vor 30 Jahren, als die "Waffe Öl" von den Arabern willkürlich zur Abstrafung des Westens eingesetzt werden konnte, um sein Engagement im Nahen Osten zu beeinflussen. Geblieben ist dagegen die Furcht vor dem Ende des Öls als Energiegrundlage schlechthin.

In einer endlichen Welt muß die Rohölquelle irgendwann einmal versiegen. Die immer wieder inszenierte Horrorgeschichte vom plötzlichen Ende der Weltölvorräte trifft die Realität allerdings ebensowenig wie die sekundenschnelle Vereisung New Yorks in einem aktuellen Katastrophenfilm.

Fest steht, daß neue Vorräte immer schwieriger und kostspieliger erschlossen werden können. Statt dessen werden die bestehenden Quellen schneller abgepumpt. Das verursacht jedoch ebenfalls höhere Kosten, weil Förderkapazitäten gesteigert werden müssen. Die in früheren Jahren als Ölbösewicht verschrieene Organisation Erdölexportierender Staaten (Opec) ist diesmal unschuldig. Sie hat ihre bestehenden Förderkapazitäten weitgehend erreicht.

Saudi-Arabien kann zwar noch ein paar Millionen Barrel (knapp 159 Liter) zulegen und wird dies voraussichtlich tun, aber schweren Herzens, denn die Ölreserven schwinden mit jedem Tag, und der Reichtum soll auch noch für die Luxusbedürfnisse der Enkel genügen - ohne nachhaltigen Preiseffekt. Einen weiteren Engpaß bilden die beschränkten Raffineriekapazitäten, die aus dem Rohöl die begehrten Benzinderivate herausbrechen. Auf der Angebotsseite liegt somit keine künstliche Einschränkung vor, es stagniert schlicht. Hauptpreistreiber ist dagegen die straff gestiegene Weltnachfrage nach Öl und vor allem Benzin. Der größte Weltverbraucher, die USA (ein Viertel des Weltverbrauchs), haben in den letzten Jahren ihre staatstrategischen wie privaten Vorräte weitgehend verbraucht.

Die US-Ölförderung deckt nur ein Drittel des Bedarfs. Nun strebt die Bush-Regierung eine gezielte Aufstockung der Ölreserven auf 700 Millionen Barrel an. Die US-Benzinraffinerien, sofern noch existent, sind teilweise veraltet und überlastet. Also werden - der Preis spielt kaum eine Rolle - die europäischen Produktionsmengen aufgekauft. Nicht aus Gründen der Vorratshaltung, sondern wegen des Nachholbedarfs steigt die Weltnachfrage nach Rohöl seitens des zweitgrößten Weltkunden, der Volksrepublik China und Indien.

Bislang besitzen nur acht von tausend Chinesen ein Auto. In Deutschland kommen auf tausend Einwohner 634, in den USA 940 Autos. Selbst wenn das wirtschaftlich prosperierende Reich der Mitte seine Autofahrerquote nur auf 88 pro Tausend steigert, bedeutetet das 86 Millionen Autos mehr, die sich an die Zapfhähne drängen.

China könnte sich den Autoreichtum und die damit verbundenen Ölaufkäufe leisten, bezahlt werden müßte es mit einem weiteren weltweiten Anstieg der Rohölpreise. Was für China gilt, trifft auch für andere Schwellenländer zu. Der weitere Preisanstieg gehört somit zur gesicherten Zukunftsvision der Europäer. Die richtige Reaktion darauf kann, wenn zusätzliche Kosten vermieden werden sollen, nur marktwirtschaftlich erfolgen. Gegen kurzfristige Preisausschläge, wie beim Benzin zur Ferienzeit, hilft nur striktes Maßhalten und konsequente Einschränkung des Verbrauchs. Die langfristige Versorgung mit Öl und Gas erfordert die konsequente Entwicklung von Alternativen.

Darunter den subventionierten Ausbau von Solar- oder Windenergieanlagen zu verstehen, ist allerdings eine Kinderei, die sich Deutschland nicht länger leisten kann. Ob die gerade stattfindende Energie-Weltkonferenz in Bonn realistische Alternativen aufzeigt, ist fraglich. Auch Biomasse und Wasserkraft reichen nicht aus. Wahrscheinlicher ist eine Renaissance der Kernkraft.

Foto: Ölpreisentwicklung: Nachfrage steigt, das Angebot wird knapper


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