© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/04 04. Juni 2004

Leserbriefe

Zu: "In die Irre geführt" von Alexander Griesbach, JF 22/04

Zielscheiben

Fast überall auf unserem Planeten von Amazonien bis Tibet grassieren brutalste Menschenrechtsverletzungen und schleichender Völkermord, ohne daß dies bei der gutmenschelnden Wertegemeinschaft besonderen Handlungsbedarf erzeugt. Daß gerade in Irak ein Exempel statuiert werden muß, kann kaum überraschen, denn jedes Imperium muß seine wichtigsten Ressourcen sichern. Aber daß der Irak den Rest der Welt bedrohen konnte, hat sicher kein halbwegs mit Verstand gesegneter Mensch geglaubt, und fanatische Islamisten kamen erst mit den Besatzern ins Land. Als Westberliner, der ein halbes Jahrhundert nur dank US-Präsenz in Freiheit leben durfte, tut man sich schwer mit Kritik an den USA. Aber mit diesem Angriffskrieg gegen jedes Völkerrecht und jedes Rechtsempfinden haben die USA und ihre "Pudel" weder sich noch sonst jemandem einen Gefallen getan, höchstens den islamistischen Weltverbesserern.

Der Brutalität einiger minderbemittelter Hilfskräfte, die sich als Herren über Leben und Tod ihrer Gefangenen aufspielen wollten, hätte es gar nicht bedurft, um US-Bürger (und alle, die dafür gehalten werden) auf Jahre zu Zielscheiben arabischer Vergeltungswut zu machen.

Klaus Jänicke, Berlin

 

 

Zu: "Am Glaube gescheitert" von Matthias Bäkermann, JF 22/04

Nationale Kirchenzeitung?

Ich mache mir Gedanken über den Kurs der JUNGEN FREIHEIT. Da erörtert Moritz Schwarz in JF 19/04 die "laizistische Gefahr", und jetzt "entlarvt"(!) Matthias Bäkermann einen (evangelischen) Mieter in Köln als Atheisten. Befindet sich die JF auf dem Weg zur nationalen Kirchenzeitung? Es droht der Weg in die publizistische Sackgasse, wenn die JF im religiösen Eifer nun auch gegen "die Ungläubigen" zu Felde zieht. 

Theo Mittrup, Berlin

 

 

Zu: "Deutschlands Superfalke" von Doris Neujahr, JF 22/04

Merkwürdig

Der Artikel von Doris Neujahr befaßt sich mit Wolffsohns "umstrittenen" Äußerungen zur Folter gegen Terroristen offenbar nur zum Zweck einer unsachlichen Generalabrechnung mit diesem konservativen Historiker. Ihm wird der Konservatismus hauptsächlich deshalb abgesprochen, weil er pro USA und pro Israel orientiert ist. Abgesehen davon, daß Prof. Wolffsohn seit Jahrzehnten bei allem grundsätzlichen Wohlwollen auch Detailkritik an der amerikanischen und israelischen Politik übt, ist die JF-eigene Logik, bei Amerika-Anhängern deren Konservatismus zu hinterfragen, mehr als merkwürdig.

Es wäre sicher nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie sich sachkritisch mit den Äußerungen Wolffsohns zur "Folterung gegen Terroristen" beschäftigt hätten. Statt dessen bringen Sie einen angriffslustigen Rundumschlag, als hätten Sie nur darauf gewartet, daß der Bundeswehr-Historiker mal übers Ziel hinausschießt. Dabei zitieren Sie die Vorwürfe des linksgerichteten Prof. Kurt Sontheimer gegen Wolffsohn, der dem jüdischen Professor nichts weniger als die "intellektuelle Redlichkeit" abspricht.

Felizitas Küble, Münster

 

Differenziertere Haltung!

Man muß den Irak-Krieg ja wirklich nicht für eine gute Idee halten; aber den Mitläufer der politisch-korrekten Empörung der Gutmenschen zu spielen, ist wohl auch nicht gerade der Weisheit letzter Schluß. Zum Beispiel im "Fall Wolffsohn": Da hält sich jemand nicht an heuchlerische Sprachregelungen und wird vom main-stream dafür geprügelt, der schon aus der Causa Günzel als Verteidiger der Meinungsfreiheit wohlbekannte Herr Struck (den an dieser Stelle näher zu qualifizieren das Pressegesetz wohl verbietet) distanziert sich - und die JF hat nichts besseres zu tun, als in das Achwehgeschrei über den "Zynismus" Wolffsohns und seine "fiesen" Äußerungen einzustimmen. Schon die Wortwahl ist da entlarvend: Wird der Begriff Zynismus doch meist dann verwendet, wenn die Aussage ganz offensichtlich der Realität entspricht, einem aber nicht in den Kram paßt.

Verstehen Sie es bitte als Kompliment, wenn ich anmerke, daß ich mir von der JF, da schon eine etwas differenziertere Haltung erwartet hätte.

pro. Dr. Lothar Höbelt, per E-post

 

 

Zu: "Kampf gegen die Vergangenheit" von Hans-Joachim von Leesen, JF 22/04

In der DDR gab es das nicht

Es ist nicht so, daß nur Militärdenkmale/Grabmale vor 1945 bzw. zur Erinnerung errichtete Male nach 1945 von Jugendlichen geschändet wurden. In der Hip-Hop-Gesellschaft, die den jungen Menschen vorgegaukelt wird, gibt es eben keine Achtung vor der Vergangenheit. Bei uns in Neubrandenburg gibt es eine Friedhofsanlage für verstorbene Frauen des riesigen KZ-Außenlagers. Immer wieder schmieren gehirnamputierte Jugendliche, Grabsteine werden umgestoßen, die Informationstafel und Bänke - aufgestellt zur Besinnung - beschmiert, bespuckt. Nun ist die Tafel zerschlagen worden, doch selbst die Halterung (die Grundplatte) ist beschmiert. Auch eine Anlage zur Ehrung von Personen aus der KPD/SED ist ständiges Angriffziel. Auf dem städtischen Friedhof werden Bänke beschädigt und mehrfach schon Grabsteine umgestürzt. Es wurde eine Spur der Verwüstung gezogen. Gleiches geschah vor einigen Jahren auf dem riesigen Soldatenfriedhof. Es ist auch nach meiner Meinung nötig, darauf hinzuweisen, daß der Vandalismus nicht nur Denkmale und Friedhöfe betrifft. Parkanlagen, Straßenlampen, Papierkörbe usw. sind genauso schuldig für die Dummheit der Heranwachsenden. Bis 1990 hat es bei uns in der damaligen DDR so etwas nicht gegeben.

Dieter Krüger, Neubrandenburg

 

 

Zu: "Das Christentum ist zu schwach" von Baal Müller, JF 22/04

Form und Inhalt

Es gibt nicht wenige Theologen, darunter früher der berühmt-berüchtigte Prof. Dr. Karl Rahner, die spekulativ über Glaubensfragen philosophieren, zu denen sie - erkennbar - keinen Zugang haben. Da ist statt Kopfschütteln wohl eher Barmherzigkeit angesagt, wenn ein junger Studiosus der Philosophie mit zeitgemäß intellektueller Formulierungskraft auf einer ganzen Seite Ihrer Zeitung viel Rissiges von sich geben darf. Kurz: Der junge Doktorand weiß nicht, wovon er spricht. Aber seine Ausführungen klingen wenigstens sehr wissenschaftlich. Nur: Eine zeitgemäß wissenschaftliche Form macht noch keinen überzeugenden Inhalt.

Klaus Weber, Düsseldorf

 

Zu intellektuell

Ich finde es gut, daß Sie die Reihe "Herausforderung Islam" in Ihrer Zeitung veröffentlichen! Trotzdem muß ich mich über den letzten Artikel von Baal Müller beschweren. Es ist mir vollkommen klar, daß Ihre Zeitung von Menschen gelesen wird die oft eine höhere Bildung (Philosphie, Germanistik, Theologie usw.) besitzen. Es gibt aber auch Menschen die so einen Bildungsstandard nicht haben. Dazu gehöre ich. Ganz einfach gesagt: Ich habe diesen Artikel nicht verstanden, er ist mir intellektuell zu schwer!

Eigentlich verstehe ich nur Bahnhof. Wäre es nicht möglich gewesen, diesen Artikel auch allgemeinverständlicher zu schreiben? Aufgrund der Probleme mit dem Artikel meinerseits ist es mir nicht möglich, eine Verbindung zum Islam zu erkennen. Der Islam wird nicht einmal erwähnt. Ehrlich gesagt finde ich diesen Artikel eine Unverschämtheit.

Sie werden jetzt sagen: Wenn wir alle Artikel nur noch allgemeinverständlich formulieren würden, würde das Niveau der JF sinken. Ich möchte nur in Erinnerung rufen, daß es eben Menschen gibt die nicht eine so hohe Bildung haben wie Herr Müller. Solche Menschen könnten sich vielleicht abgeschreckt fühlen (besonders neue Leser) und kehren der JF ggf. den Rücken. 

Marcus Stiller, per E-Post

 

Keine Denkverbote

Was können wir als Glaubensgewißheit akzeptieren? Hier kommen alle Wissenschaften in Frage, die mit Theorien arbeiten und die bereit sind, sich für neue Erkenntnisse zu öffnen.

Es darf keine Denkverbote geben. Freie Forschung und Meinungsfreiheit müssen erlaubt sein. Weltanschaulich sind Astronomie und Biologie besonders interessant. Seit Kopernikus und Darwin auf diesem Gebiet Denkanstöße gegeben haben, wurden umwälzende Erkenntnisse gewonnen, welche diese Theorien festigten und berichtigten. Nach der Theorie vom "Urknall" befindet sich unser Universum in einer fortschreitenden Evolution. In diesem Rahmen vollzieht sich auch auf unserer Erde eine Evolution, welche auch hier die gesamte Biosphäre zu einer Evolution zwingt. Alle Lebewesen müssen sich den Veränderungen anpassen, um überleben zu können. 

Anton Fischer, Eppingen

 

Offenbarungsreligionen

Was der sehr kenntnisreiche Aufsatz von Baal Müller bietet, ist eine Geschichte der Erfassung des Christentums durch den Menschen. Bei dieser völkerpsychologischen und historischen Betrachtung darf nicht vergessen werden, daß die Berücksichtigung des Göttlichen in der Natur keine geistige Überwindung des individuellen Todes bedeutet: dies stellt jede Offenbarungsreligion aber dar. Mit seiner Unterscheidung von Diesseits und Jenseits hat Christus eine völlig in sich geschlossene theologische Theorie und keine "erlösungssüchtige" geliefert. Von dieser Theologie ist natürlich die Praxis des Umgangs mit ihr zu unterscheiden, die sich, da der Mensch sich jahrhundertelang ändert, heute anders gestalten muß als zum Beispiel zur Zeit der Kreuzfahrer.

Wolfgang R. Thorwirth, Gummersbach

 

 

Zu: "Es kann jeden treffen" von Doris Neujahr JF 21/04

Erlebnisse

Ihre perfekt geschriebenen Artikel finden wegen der Objektivität immer meine Zustimmung. Diesmal nur eingeschränkt.

Ich bin Jahrgang 1928 und erlebte das Kriegsende in Stuttgart, wo französische Truppen aus Nordafrika unter Duldung ihrer Regierung schlimme Verbrechen begingen. Die Bevölkerung sehnte die vor den Toren der Stadt schon bereitstehenden US-Soldaten herbei - und wurde nicht enttäuscht. Die diszipliniert auftretenden Amerikaner waren den Einwohnern gegenüber viel gerechter als die Franzosen.

Anderes hörte man aus den US-Internierungslagern. Eine Verwandte war über Monate in einem solchen eingesperrte. Von so brutalem Vorgehen wie jetzt im Irak hat sie uns jedoch niemals erzählt.

Günther Willmann, Stuttgart

 

 

Zu: "Schulden werden belohnt" von Dieter Stein , JF 21/04

Klarheit

Nirgends in einer anderen Zeitung oder Illustrierten, auch in keinem Buch sah ich das Schuldenproblem in einer derart unverblümten, knappen und eindringlichen Klarheit dargestellt. Es hat mich auch gefreut, dass die Lüge von "mehr Investitionen in Bildung und Forschung" auch wirklich Lüge genannt wird. Dies ist eben das Markenzeichen der JUNGEN FREIHEIT. Weiter so! 

Simon Aumeier, Weiden

 

 

Zu: "Die eigene Sicht erhalten" von Sarah Schaschek und "Das vermittelte Geschichtsbild korrigieren", Interview mit Will Seelmann-Eggebert, JF 21/04

Nachteile

Ihrem Bericht ist in wesentlichen Teilen aus persönlicher Erfahrung voll zuzustimmen. Der erwähnte Günter Gregorg, der seine realistischen, erschütternden Erlebnisse während seiner "Frontbewährung" als Schützenleutnant und anschließend in Partisanengefangenschaft in seinem Buch "Parole Überleben!" schildert, wurde von mir beratend vertreten.

Günter Hagner, München

 

Beitrag

Ich bin Jahrgang 1922. Irgendwann, ehe ich 80 wurde, habe ich meine Lebensgeschichte aufgeschrieben, einfach so. Bei einem "Books on Demand" Verlag in Niebüll habe ich sie verlegt. Inzwischen ist mir klargeworden, daß auch meine Geschichte zu dem beiträgt, was Will Seelmann-Eggebrecht mit seinen Büchern bewirken will. Ich bin zwar aus Ostpommern immer gerade noch vorher westwärts gekommen, ehe die große Flucht begann (dank meines Schutzengels), aber Jungmädel, BDM, weiblicher Arbeitsdienst, Kriegshilfsdienst, Ausbildung und Tätigkeit als Schulhelferin, Rote-Kreuz-Helferin auf einem Hauptverbandsplatz, am 5. Mai 1945 nachts über die Elbe in den amerikanisch besetzten Westen sind schon Stationen im Leben, über die die junge Generation nichts weiß. Und wenn dann eine Journalistin (Jahrgang 1947!) ein Buch über unsere Generation schreibt und darin steht: wir seien zu, "einer gewalttätigen, herrischen unerschrockenen Jugend erzogen worden, die Schmerzen ertragen muß, an der nichts Schwaches und Zärtliches sein darf", dann wundert es nicht, daß unsere erwachsenen Kinder noch immer blutrünstige Monster in ihren Eltern und die versteckten Leichen in ihren Kellern suchen. Es gibt wirklich manches zu korrigieren an unserer Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Annemarie Kirsche, Salzgitter

 

Überfällig

Es ist überfällig, daß die JUNGE FREIHEIT in Sicht des Menetekels vom 60. "Tag der Befreiung" die Kriegsgeneration ermuntert, ihre Lebensgeschichte für Enkel und Urenkel festzuhalten. Verpflichtend ist auch der Ansatz von Will Seelmann-Eggebert, die Schulbücher über die Jahre 1914 bis 1950 zu berichtigen.

Es muß nicht immer ein gedrucktes Buch sein. Eine CD oder ein Video sind viel eindrucksvoller. Ganz anders wirkt zum Beispiel eine Lesung von Erika Morgenstern: "Überleben war schwerer als Sterben (Ostpreußen 1944-1949)" oder Christa Leifert: "Und morgen fahren wir nach Laugallen", um auch einmal die Nachkriegsschicksale von Frauen zu erwähnen. (Trotzdem sei dem Universitas-Langen-Müller-Verlag für diese Buchreihe von Lebensgeschichten in schwerer Zeit gedankt).

Weil ein Buch so schwer zu gestalten und kostspielig zu drucken ist, unterbleibt oft der Bericht, und die Lebenserfahrung ist für die Nachwachsenden, die nur einseitig über diese Zeit unterrichtet werden, verloren. Da war unser Geschichtsunterricht in Zeiten der Konfrontation mit dem Kommunismus besser.

Ich bin dankbar für die Stimme von meinem Schwiegervater, Oberstleutnant der Fallschirmjäger Franz Graßmel (1906-1985) auf einer Tonbandkassette mit seinem Lebensbericht, den noch seine Urenkel hören können.

Georg K. Schmelzle, Norden/Ostfriesland

 

 

Zu: "Die Wissenschaft kennt keine Tabus mehr" von Angelika Willig, JF 21/04

Armutszeugnis

Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts bildet die Reduktion des Menschen, seines Charakters, seiner Krankheiten und letztendlich seines Schicksals auf seine Gene - also auf das rein Materielle - einen wesentlichen Bestandteil unserer Alltagsrealität.

Mit dieser Fixierung auf die genetische Basis von Charakter- und Krankheitsanlagen werden andere Wege des Denkens und Forschens immer mehr aus dem öffentlichen Bewußtsein verdrängt.

Dieser "Fortschritt" der medizinischen Forschung, der nur allzu leicht eine genetische Rechtfertigung für Rassismus liefern könnte, stellt dem zeitgenössischen abendländischen Welt- und Menschenbild, da er alle seelischen und kulturellen Faktoren des Menschseins außer acht läßt, ein beschämendes Armutszeugnis aus.

Klaus Roth, München

 

 

Zu: "Historische Kontinuitäten" von Alexander Griesbach, JF 20/04

Lohnende Bücher

Die Welt ist entsetzt und empört über die Brutalitäten, die sich Angehörige der U.S. Army im Irak leisteten. In Ihrer Ausgabe vom 7. Mai kommt Ihr Autor, Alexander Griesbach, zu dem Schluß, daß, was Folterungen betrifft, eine gewisse Kontinuität besteht. Griesbach bezieht sich hierbei auf die "Rheinwiesen-Lager" nach 1945. Nun sind die Rheinwiesen-Lager eine Sache. Eine andere sind die Folterungen von Gefangenen bei den sogenannten Kriegsverbrecher-Prozessen. Was sich damals die US-Armee leistete, steht dem, was wir heute aus dem Irak hören, in nichts nach. Diese Geschehnisse werden in der Bundesrepublik unter den Tisch gefegt. Schon im Jahre 1950 erschien im Nölke-Verlag in Hamburg, von der amerikanischen Journalistin "Freda Utley" das Buch "Kostspielige Rache". Freda Utley, die damals eine very important person war, hatte Zugang zu den gefangenen "Kriegsverbrechern". Sie schildert, wie die im Malmedy Prozeß Angeklagten gefoltert und zu Geständnissen gepresst wurden.

Adolf Fröhlich, Hamburg


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