© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/04 11. Juni 2004

Invasionsfeiern
Die vergessenen Landser von La Cambe
Dieter Stein

Mit Geschichte wird Politik gemacht. Bei den wiederkehrenden Jahrestagen zum Ende des Zweiten Weltkrieges wird es überdeutlich: Auch die sich in postnationaler Transformation wähnenden Staaten EU-Europas kommen ohne das Pathos des Rückbezugs auf die Geschichte nicht aus. Wie emotionslos war erst wenige Wochen zuvor die EU-Osterweiterung am 1. Mai vollzogen worden - ganz anders die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie!

Viele rührende Gesten erzählen von der versöhnenden Haltung der einstigen Kriegsteilnehmer. Deutsche Veteranen sind bei den ehemaligen Angehörigen der alliierten Streitkräfte gerngesehene Gäste. An welchem öffentlichen Anlaß in Deutschland nehmen aber heute noch Veteranen teil? Es sind die ehemaligen Kriegsgegner, die jenen inzwischen über 80 Jahre alten greisen Männern einer 1945 untergegangenen deutschen Armee Respekt zollen - Respekt, der ihnen in ihrer Heimat längst nicht mehr gewährt wird.

Es bedurfte der von den vormaligen Feinden ausgerichteten Feier zum "D-Day" in der Normandie, um den deutschen Bundeskanzler zu zwingen, Gräber gefallener deutscher Soldaten zu besuchen und würdig zu ehren - was Schröder tat! Ein anderes als dieses Verhalten hätten Franzosen, Briten und Amerikaner aber auch nicht begriffen.

Einen betrüblichen Eiertanz vollführte das Protokoll um die Ehrung von gefallenen Soldaten der Waffen-SS. So hatte das Bundeskanzleramt mitgeteilt, Schröder lehne es ab, den deutschen Soldatenfriedhof La Cambe in der Normandie zu besuchen, auf dem 21.222 Landser beerdigt sind, nur weil dort auch zahlreiche Soldaten von Einheiten der Waffen-SS ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Schröder scheint nicht mehr zu wissen, was der erste Nachkriegsvorsitzende der SPD, Kurt Schumacher, über die 900.000 Soldaten der Waffen-SS 1951 gesagt hat: "Die Mehrzahl ... ist in eine ausgesprochene Pariarolle geraten. Sie sind kollektiv haftbar für die Verbrechen des SD und der Menschenvernichtungsaktionen gemacht worden, trotzdem sie als Waffen-SS kaum nähere Berührung damit hatten als manche andere Wehrmachtsteile. Zu jedem totalitären System hat es gehört, mit allen Methoden der Verstrickung ein Ergebnis von Mitschuld aller zu erzeugen. Im Falle der Waffen-SS hat man im Bewußtsein der Welt eine totale Komplizität herbeizuführen sich ziemlich erfolgreich bemüht. Uns scheint es eine menschliche und staatsbürgerliche Notwendigkeit zu sein, diesen Ring zu sprengen und der großen Masse der früheren Angehörigen der Waffen-SS den Weg zu Lebensaussicht und Staatsbürgertum freizumachen ..."

Schröder erinnerte an seinen in Rumänien als Wehrmachtssoldat gefallenen Vater. Dieser hätte auch als Waffen-SS-Soldat beim Kampf um Caen fallen können. Hätte Schröder dann einen Bogen um La Cambe gemacht? Auf dem britischen Soldatenfriedhof, den er schließlich besuchte, waren übrigens auch zwei ehemalige Waffen-SS-Angehörige beigesetzt ...


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