© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/04 11. Juni 2004

Paläste der Parallelgesellschaft
Integration: In Berlin planen Muslime neun neue Islamische Zentren und Moscheen / Meist sind Finanzierung und Hintergrund der Bauherren unklar
Manuel Ochsenreiter

Auf der Internetseite heißt es kurz, knapp und unmißverständlich: "Jeder verantwortliche Ungläubige ist verpflichtet, in den Islam einzutreten (...) Sollte er jedoch nicht in den Islam eintreten und als Ungläubiger sterben, kommt er in die Hölle und wird dort ohne Ende bestraft." Dabei ist der "Islamische Verein für wohltätige Projekte" in diesen Tagen dringend auf den Zuspruch "Ungläubiger" angewiesen. Denn die endgültige Genehmigung seines Mammut-Bauprojekts "Maschari-Center" an der Wiener Straße in Kreuzberg erhitzt in Berlin die Geister.

Ein Prunkbau soll sich bald dort erheben, wo 1987 bei den Krawallen zum 1. Mai ein Supermarkt abbrannte. Sieben Stockwerke hoch, riesige Fensterfronten, eine Kuppel und vier Minarette wird das "Maschari-Center" haben. Eingeplant werden eine zweistöckige Moschee, Läden, Boutiquen, ein Café sowie ein Supermarkt. Der Verein will darin darüber hinaus Sozialberatungen, Sprach- und Computerkurse anbieten. Zehn Millionen Euro soll das repräsentative Gebäude kosten - die Mittel stammten aus "Spenden und Krediten", wie der Sprecher des Vereins, Birol Ulcan, immer wieder aufs neue betont. Ebenfalls betont er stets die gemäßigte und antifundamentalistische Ausrichtung der Gruppe. Doch daran gibt es Zweifel.

So zitiert die Berliner Zeitung einen Mitarbeiter des Landesverfassungsschutzes: "Die sind nicht ganz ohne." Konkreter wird der Politologe Ralph Ghaban von der Evangelischen Fachhochschule Berlins. "Diese Gruppe ist verfassungsfeindlich. Sie will die sozialen Verhältnisse in Deutschland islamisieren, eine Parallelgesellschaft gründen und sich hier nicht integrieren", so Ghaban. Vor allem die Beratungsangebote hätten es in sich. Sozialberatungen und Schulungen basierten auf dem islamischen Rechtsverständnis, der Scharia. Es gelte stets Geschlechtertrennung, sagt Ghaban, der den Verein seit der Gründung im Jahre 1981 kennt.

Konflikte um geplante Moscheebauten gibt es derzeit in der Hauptstadt vor allem in den Bezirken Kreuzberg-Friedrichshain und Neukölln. Durch die Bezirksparlamente, die sich direkt mit den Bauanträgen befassen müssen, geht ein tiefer Riß. Auf der einen Seite die Befürworter der Moscheebauten, die vor allem Mitglieder der Grünen und der PDS sind - auf der anderen Seite die Gegner, zumeist CDU-Politiker. Während der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), das umstrittene "Maschari-Center" mit dem Argument durchwinkt, das Baurecht kenne schließlich keine "Gesinnungsparagraphen", leistet seine Amtskollegin Stephanie Vogelsang (CDU) vom Bezirk Neukölln erbitterten Widerstand.

Gebäude soll größer werden als die Zentrale von Verdi

Mit deftigen Worten wehrt sich Vogelsang derzeit gegen ein Bauprojekt des Vereins "Inssan für kulturelle Interaktion". Es handle sich bei der Planung um "kein Gebetshaus, sondern um eine Indokrinationsstätte". Das überdimensionierte Bauvorhaben sei aus Bezirkssicht alles andere als genehmigungsfähig. 60 Meter lang, sechs Stockwerke hoch solle es werden. Auch hier seien Schulungs- und Sporträume, Einzelhandelsflächen, Bibliothek, Informationszentrum, Kindertagesstätte und Wohnungen vorgesehen. 12 Millionen Euro solle das Zentrum kosten - es wäre damit wuchtiger als die Bundeszentrale der Verdi-Gewerkschaft. In Berlin-Neukölln gibt es bereits 13 Moscheen.

Vogelsang hält darüber hinaus eine generelle Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz für "zwingend notwendig", um herauszufinden, wer oder was tatsächlich hinter den oft harmlos klingenden Vereinen steckt. Dem Verein "Inssan" werden Kontakte zum islamistischen Milieu nachgesagt.

Während sich innerhalb der Bezirke die Fraktionen um insgesamt neun anvisierte muslimische Bauprojekte zanken, fordert die CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses den Berliner Senat auf, endlich ein Machtwort zu sprechen und die Projekte zentral zu beaufsichtigen. Das Problem liegt auf der Hand: Sämtliche Baugenehmigungen werden bezirklich entschieden - auch bei Moscheen. Nur bei Projekten von "gesamtstädtischer Bedeutung" könne der Senat eingreifen. Seine Forderung untermauert der baupolitische Sprecher der CDU, Fritz Niedergesäß, mit ungewöhnlich eindeutigen Worten: "Wir leben in einer Gegend die christlich geprägt ist. Und wir haben schon genug Moscheen."

Das sieht Mohammed Herzog, Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime - Freunde des Islam Berlin e.V (IGDMB), völlig anders. "Ich begrüße den Neubau von Moscheen ausdrücklich", so Herzog im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. In Berlin leben nach seinen Angaben "etwa 250.000 Muslime" - und die hätten bislang nur "drei ordentliche Moscheen" mit Kuppel und Minarett. Insgesamt gebe es 75 Moscheen in Berlin, viele von ihnen seien "auf Hinterhöfen versteckt" sagt Herzog. Für ihn sind die Bauanträge auch ein "Zeichen der Normalisierung und des erstarkenden Selbstbewußtseins".

Herzog, der freikirchlicher Missionar war, bevor er zum Islam konvertierte, organisiert in Berlin auch Moscheebesichtigungen für Schulklassen in der Neuköllner Sehitlik-Moschee am Columbiadamm. Die Moschee im osmanischen Stil bietet Platz für 700 Muslime und steht sozusagen auf türkischer Erde. 1866 hatte Preußen das Gelände der osmanischen Gesandtschaft zur Verfügung gestellt. Direkt daneben liegt der Islamische Friedhof der Stadt.

Bauherrin ist die halbstaatliche "Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion" (Ditib), die direkt der türkischen Religionsbehörde untersteht, die streng über die laizistische Ausrichtung der Religionsausübung der Türken zu wachen hat. Doch obwohl der Moscheeverein daher weder als fundamentalistisch kritisiert wurde noch die Finanzierung ungeklärt war, sorgte die Mammut-Moschee in der Vergangenheit immer wieder für Skandale.

Messungen des Bezirksamtes Neukölln hatten im September 2003 ergeben, daß die Minarette statt der genehmigten Höhe von 28,60 Meter nun eine Höhe von 37,10 Metern aufweisen. Auch die Kuppel ist mit 21,30 Metern um 4,10 Meter höher ausgefallen als vorgesehen. Baustadträtin Vogelsang sah sich gezwungen, einen sofortigen Baustopp sowie ein Bußgeld von 80.000 Euro zu verhängen. Erst im März durfte weitergebaut werden.

Auch die prächtigen Eingangstüren landeten vorerst in der Asservatenkammer des Zolls. Denn in ihnen ist Schildpatt und Elfenbein verarbeitet - für beides gilt wegen Artenschutzbestimmungen ein strenges Einfuhrverbot. Mittlerweile seien allerdings die originalen Einfuhrgenehmigungen des Bundesamtes für Naturschutz aufgetaucht - dem Einbau der Türen steht nichts mehr im Weg.

Problem der "Konzentration von Moscheebauten"

Allerdings fehlen immer noch Kronleuchter, Teppiche und ein paar Verzierungen beim Anstrich. Auch hierfür werden deutsche Behörden verantwortlich gemacht: "Es ist kompliziert, für die benötigten Spezialisten ein Visum zu bekommen. Das verzögert die Arbeiten", so Hüseym Mikid von der Berliner Ditib, die mittlerweile insgesamt 12 Moscheen in der Hauptstadt betreut.

Dieses erstarkte Selbstbewußtsein und der forcierte Bau repräsentativer Moscheen und Islamischer Zentren beschäftigt auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Vorsichtig spricht er davon, daß eine "Konzentration von Moscheebauten" die Integration erschweren könne. Allerdings lehnt er eine Kontrolle der Bauten durch den Senat, wie sie die CDU fordert, als "verfassungswidrig" ab. Ein Staat dürfe nicht über den Ort und die Zahl der Gotteshäuser entscheiden, so Körting.

Dabei müßte sich der Innesenator der sozialen Explosionskraft dieses Problems in Berlin durchaus bewußt sein. Denn 40 Prozent muslimischer Jugendliche in Berlin sind ohne Arbeit, jeder Dritte hat nicht einmal einen Hauptschulabschluß. Körting sieht hier sogar ein "Rekrutierungspotential für terroristische Bestrebungen". Daß dann noch ausgerechnet Vorbeter und Imame "bewußt oder unbewußt" den Frust dieser muslimischen Jugendlichen in den Moscheen schürten, sei hochgefährlich.

"Integration - das ist doch die letzten 40 Jahre hier schiefgegangen und nicht erst, seitdem die hier ihre Minarette hochziehen", meint ein Nachbar der Sehitlik-Moschee, einer der wenigen Deutschen, die noch in dieser Gegend, ihrem "Kiez" leben. Wahrscheinlich liegt darin mehr Erkenntnis als in so mancher Hochschulstudie über Moscheebaukonflikte. "Weshalb erst jetzt die Aufregung", fragt der Mittfünziger. Schließlich habe man sich geweigert, "das Ausländerproblem" als solches zu benennen. Die Bauprojekte seien doch lediglich ein architektonischer Ausläufer dieses ignorierten Problems. Die Parallelgesellschaft baue sich eben ihre eigenen Paläste.

Während die beiden großen Kirchen in Berlin finanziell straucheln und Gemeinden zusammenlegen oder gar Kirchen einfach "stillegen", wächst die islamische Gemeinde kontinuierlich an. Denn kaum sind die Diskussionen um das "Maschari-Center" des Islamischen Vereins für wohltätige Projekte verebbt, hat sich schon die ebenfalls umstrittene Islamische Föderation mit gleich zwei Bauprojekten angekündigt. Diesem Verein wird von Experten eine Nähe zur fundamentalistischen Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs nachgesagt.

Auch diese künftigen Projekte werden von "Ungläubigen" genehmigt werden müssen. Diese können sich dafür allerdings beim Islamischen Verein für wohltätige Projekte bereits jetzt erkundigen, was ihnen nach ihrem Ableben blüht: "Der Ungläubige in der Hölle ist sehr groß und hat folglich eine große Hautoberfläche, die der extremen Hitze und der extremen Kälte ausgesetzt ist und somit mehr Schmerz und Qual fühlt. Hier sei noch zu erwähnen, daß die extremste Hitze auf dieser Welt bei weitem nicht so heiß ist wie die Hitze des Höllenfeuers."

Foto: Sehitlik-Moschee in Berlin: Die Moschee im osmanischen Stil bietet Platz für 700 Muslime und steht sozusagen auf türkischer Erde


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