© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/04 18. Juni 2004

Zeitschriftenkritik: Muslim-Zeitung
Mehr als nur Verlautbarungsorgan
Manuel Ochsenreiter

"Viele Muslime in Deutschland klagen über schlechte Zeiten für den Islam. Aber immer nur über Schwierigkeiten nachzusinnen, schafft noch mehr Schwierigkeiten." Wolfgang Wegener, Chefredakteur der in Hannover erscheinenden Muslim-Zeitung (MZ), ist bemüht, Positives zu berichten. Und das sei in Zeiten von Anti-Terror-Kampf und Haßpredigerphobie gar nicht so einfach.

So widmet Wegener eine gesamte Seite der nur achtseitigen MZ einem weitgehend unbeachteten "Grundsatzpapier" Hamburger Muslime. "Der Islam ist bereits realer Teil der Gesellschaft", heißt es dort, daneben werden selbstbewußt die Forderungen formuliert: Moscheenbau, Schächten, Kopftuch auch im öffentlichen Dienst, Schutz islamischer Feiertage, Zugang zu den öffentlich-rechtlichen Medien und ein Verbot religiöser Diskriminierung.

Daneben eine beruhigende Nachricht für alle Islam-Kritiker und Skeptiker: Das Grundgesetz und die Scharia, das islamisch-religiöse Rechtssystem, "sind miteinander vereinbar".

Wegener ist deutscher Konvertit und damit (noch) ein Exot unter den etwa 3,2 Millionen Moslems in Deutschland. Er ist einer von jährlich 250 bis 300 Deutschen, die zum Islam übertreten. Trotzig versucht er seit März diesen Jahres, mit der MZ "seine" Zielgruppe zu erschließen - bislang noch nicht mit dem erwünschten Erfolg.

So reagierte die MZ prompt, als nach dem Terror-Anschlag von Madrid von Bischöfen und Politikern zu hören war, die Muslime distanzierten sich nicht von Gewalt - und veröffentlichte in ihrer April-Ausgabe zahlreiche unkommentierte Terrordistanzierungen muslimischer Vereine. Chefredakteur Wegener sieht darin eine geradezu revolutionäre Umwälzung der äußeren Umstände. Zum ersten Mal habe der Islam in Deutschland mit einer Stimme gesprochen. "Jahrzehnte war die Religion Islam in Deutschland zwar als zweitgrößte Religion gegenwärtig, ihre Menschen fanden sich mit ihren Anliegen in der Öffentlichkeit und den Medien jedoch kaum wieder. Dieses Mißverhältnis befindet sich im Wandel." Ob dies tatsächlich so ist und ob die Muslim-Zeitung hierbei einen so entscheidenden Einfluß ausübt, darf man getrost bezweifeln.

Dabei könnte die MZ tatsächlich richtungsweisend werden, wenn sie die bisweilen selbstmitleidige Nabelschau zurücknimmt und statt dessen selbstbewußt islamische Positionen formuliert, etwa zur Familienpolitik oder zur Stellung religiöser Werte im Alltag.

Hierzu müßte allerdings Chefredakteur Wegener realisieren, was er sich offenkundig so sehr wünscht, und nicht nur über vermeintliche Schwierigkeiten und Negatives berichten und mehr als ein Verlautbarungsorgan muslimischer Verbände sein, sondern ein eigenständiges, positives Profil entwickeln.

Anschrift: Kochstraße 14, 30451 Hannover. Die Zeitschrift kostet 2,50 Euro und erscheint monatlich.


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