© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/04 25. Juni 2004

Wo demonstriert wird, bestimmt die Regierung
Repression: SPD-Innenminister Otto Schily will das Versammlungsrecht erheblich einschränken
Thorsten Thaler

Seitdem vor Jahren einige hundert NPD-Anhänger demonstrierend durchs Brandenburger Tor gezogen sind, sinnen die rot-grüne Berliner Regierung und speziell Innenminister Otto Schily (SPD) darüber nach, wie sich das bestehende Demonstrations- und Versammlungsrecht weiter einschränken ließe. Jüngstes Ergebnis dieses Nachsinnens ist ein jetzt vorgestellter Gesetzentwurf aus dem Hause Schily, der an Repressionsgier wohl alles übertrifft, was man bisher aus dieser Ecke gewohnt war.

Während das geltende Recht als Verbotsgründe für eine Demo "Störung der öffentlichen Ordnung" und "Vorzeigen verbotener Symbole" nennt, sollen künftig auch Umzüge und Versammlungen untersagt werden, die "in der Nähe von öffentlichen Mahnstätten" (Beispiel: Holocaust-Mahnmal) stattfinden und dem Ansehen derselben schaden könnten. Außerdem sollen ganz generell Demonstrationen beschränkt oder verboten werden dürfen, "die nationalsozialistische oder andere Gewalt- und Willkürherrschaft oder terroristische Vereinigungen oder terroristische Straftaten im In- und Ausland in einer Weise verherrlichen oder verharmlosen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden".

Über den Grad der zugelassenen Nähe zu Mahnstätten sowie über den Grad der gerade noch erträglichen Harmlosigkeit entscheiden natürlich Schilys Mannen höchstpersönlich. Mit anderen Worten: Es soll künftig gänzlich und einzig im Willen der Regierung liegen, ob eine Versammlung oder eine Demonstration stattfinden darf oder nicht. Demonstrations- und Versammlungsfreiheit in Deutschland wären damit erledigt. Ob die Gerichte da mitspielen werden, bleibt abzuwarten.

Vorsorglich sollte zu den vielen Mahn- und Gedenkstätten, die es in Berlin bereits gibt (und es werden immer mehr), jedoch schon einmal ein Mahnmal für den freien Demonstranten in Auftrag gegeben werden. Die Zeit dafür drängt, denn enthüllt werden sollte das neue Mahnmal gleichzeitig mit der parlamentarischen Absegnung des neuen Schily-Gesetzes. Niemand dürfte dann in der Nähe dieses Demonstranten-Mahnmals demonstrieren, es wäre endlich öffentlicher Frieden im Land. Schily-Frieden.


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