© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/04 02. Juli 2004

Kolumne
Lesertäuschung
Bruno Bandulet

In Nummer 28 hat der Spiegel wieder einmal eine böse, offenbar von Berlin inspirierte Attacke gegen die Deutsche Bundesbank geritten und dabei unterstellt, sie sei zunehmend bedeutungslos und suche nur noch eines, nämlich eine Existenzberechtigung.

Erstaunlich, daß das Magazin nicht zu wissen scheint, wie der Euro funktioniert, woher er kommt und wie die Aufgaben zwischen Bundesbank und Europäischer Zentralbank (EZB) verteilt sind.

Zum Beispiel erfährt der Leser mit keinem Wort, daß die Banknoten in Deutschland nach wie vor von der Bundesbank ausgegeben werden, nicht etwa von der EZB. Die EZB hat zwar das Recht zur Notenemission, ist dazu aber wegen sehr bescheidener Aktiva kaum in der Lage. Sie ist im Vergleich zur Bundesbank eine arme Zentralbank.

Darüber hinaus verrät der Spiegel-Artikel eine komplette Unkenntnis des Euro-Systems. Die Bundesbank ist nicht etwa eine Untergliederung der EZB, es verhält sich umgekehrt: Die EZB ist gesellschaftsrechtlich ein Tochterinstitut der nationalen Notenbanken! Von diesen wurde sie mit Kapital ausgestattet. Allein die Bundesbank hat 12,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, die seitdem in ihren Büchern als Forderung an die EZB stehen. Dem Spiegel ist auch entgangen, daß die Hauptverantwortung für die Geldpolitik und die Stabilität des Euro nicht beim Direktorium der EZB liegt, sondern bei einem Rat, in dem neben den sechs EZB-Direktoren die zwölf Präsidenten der Notenbanken vertreten sind, die den Euro eingeführt haben.

Fazit: Die Macht der EZB ist beschränkt, die Stellung der nationalen Notenbanken bemerkenswert stark. Wie groß der Einfluß der Bundesbank auf die europäische Geldpolitik tatsächlich ist, hängt nicht zuletzt von der Rückendeckung ab, die sie aus Berlin bekommt. Finanzminister Hans Eichel (SPD) verletzt deutsche Interessen, wenn er mit Hilfe eines Magazins versucht, die Bundesbank kleinzureden. Und er hat ihr bereits das Management der staatlichen Schulden und die Bankenaufsicht entzogen, obwohl diese Aufgaben in Frankfurt tadellos erledigt wurden. Schon seit längerem empfindet Eichel die Bundesbank als einen lästigen Mahner auf seinem Marsch in den Schuldenstaat.

In Wahrheit hat die Deutsche Bundesbank auch nach der Euro-Einführung genug Befugnisse behalten, und ihre rechtliche Stellung ist immer noch stark genug, um im Notfall zu einer eigenen deutschen Währung zurückkehren zu können - sollte der Euro irgendwann einmal scheitern.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des DeutschlandBriefes und des Finanzdienstes G&M.


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