© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/04 02. Juli 2004

Ein Renegat zur Gegenwart
Peter Schenkels Perspektiven
Manfred Schidlowski

Die brennenden Fragen unserer Gegenwart im Gespräch mit zwei fiktiven Zeitgenossen zu diskutieren und mit Hilfe einer derartigen Variante des "sokratischen Dialogs" die Probleme und möglichen Lösungsansätze schärfer herauszuarbeiten, ist zweifellos ein interessantes Unterfangen. Interessant ist auch der Autor Peter Schenkel, der wie Regis Debray zur Fronde der ernüchterten Castro- und Guevara-Renegaten zählt, die sich inzwischen überwiegend zu aufgeklärten Konservativen gemausert haben.

Ausgehend vom 11. September 2001 als Schlüsselereignis werden in seinem Buch in lockerem Diskurs Themen wie die Herausforderung des Islam, die Problematik einer globalen US-Hegemonie, das Dilemma der Demokratie, Bevölkerungsexplosion, Globalisierung, Ressourcenverknappung abgehandelt. Dabei scheut sich der Autor nicht, mit erfrischender politischer Unkorrektheit auch Fragen wie "Das Holocausttrauma der Deutschen" und "Hat Hitler die Geschichte bewegt?" anzuschneiden, wobei er sich stets des intellektuellen Feuerschutzes von Hegel ("List der Geschichte") bis Ben Gurion ("beneficial disaster") versichert.

Interessant ist auch der Versuch eines Vergleichs zwischen Che Guevara und Bin Laden, bei dem der Verfasser persönliche Reminiszenzen aus seinem kubanischen Abenteuer verarbeitet hat. Skeptiker der menschlichen Natur dürfen sich wahrscheinlich an seinem grundsätzlichen Geschichtsoptimismus stoßen, der über die heutige Uno hinaus die Vision einer politischen "Weltunion" eröffnet, der es nach anfänglichen Schwierigkeiten gelingen werde, das weitere Schicksal der Menschheit in geordnete Bahnen zu lenken. Unter Berufung auf Kant und Hegel gibt er dann auf die Frage nach dem Sinn der Geschichte konsequenterweise eine positive Antwort, da auch das sogenannte "Böse" im Laufe der psychosozialen Evolution langfristig dem "Guten" zum Durchbruch verhelfen müßte. Die Geschichte sei überwiegend ein "Trial-and-error-Prozeß", in dem die Menschheit durch die Macht der Verhältnisse letztlich zwangsweise zu einer sozialverträglichen Lebensweise erzogen (an diese "herangeprügelt") würde.

Peter Schenkel Eisenhertz:: Betrachtungen der Gegenwart. Die weltpolitischen Horizonte der Herren Pfirsich und Wunderlich. Agenda Verlag, Münster 2004, 287 Seiten, broschiert, 30 Euro


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