© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/04 09. Juli 2004

Meldungen

Rot-Grün will deutscher Opfer nicht gedenken

BERLIN. Die rot-grüne Mehrheit im Bundestag will nicht der deutschen Opfer des Bombenkrieges gedenken. Seit einem Jahr verweigern sich SPD und Grüne einer gemeinsamen Entschließung des Parlaments, wie sie von der Union angeregt worden war. Auf Unverständnis stieß diese Haltung bei dem CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler. "Das Land ist sich auch schuldig, der eigenen Opfer zu gedenken. Sie müssen Bestandteil der gemeinsamen Erinnerung sein", sagte Gauweiler in einer Bundestagsrede vergangenen Donnerstag. Und: "Wer nicht die eigenen Toten zu betrauern vermag, dem glaubt niemand die Trauer um die anderen." Der CSU-Politiker erinnerte daran, daß gegen Ende des Zweiten Weltkrieges 160 deutsche Städte und an die 1.000 Ortschaften von den Alliierten bombardiert wurden. Dabei starben über eine halbe Million Zivilpersonen, darunter viele Frauen und Kinder. Diese Bombardierungen seien ein "schweres Kriegsverbrechen" gewesen, so Gauweiler.

 

Rückbesinnung auf Geschichte der Politik

KÖLN. Die Dominanz der Kulturgeschichte hat Geschichte in den letzten Jahren immer mehr in einen Ozean der Deutungen verwandelt. Dabei ist die traditionelle Politikgeschichte, die Erforschung der "Haupt- und Staatsaktionen" als Taten "großer Männer" schon vor Jahrzehnten ins Kritikfeuer der historischen Sozialwissenschaft geraten und führt allenfalls noch eine Schattenexistenz. Da wir aber gegenwärtig, wie der in Erlangen lehrende Privatdozent Thomas Nicklas meint, "eine massive Rückkehr der Tatsachen" erleben, eine Rückkehr von "Gewalt, Angst, Mangel, der Überwältigung der Schwachen durch die Starken", könne es bald Schluß sein mit postmoderner Verachtung herkömmlicher Politikgeschichte, die angeblich "konservativ, positivistisch, ereignisgeschichtlich und handlungsfixiert" sei (Archiv für Kulturgeschichte, 2/04). Nicklas möchte den modischen Primat der Kulturhistorie brechen, aber nicht auf "monumentalistische" Politikgeschichte zurückfallen. Vielmehr geht es ihm um eine Synthese zwischen Kultur- und Politikgeschichte, die sich der harten Tatsache von "Herrschaft" stellt. Dabei rechnet er unzeitgemäß mit "Herrschaft" als "anthropologischer Universalie". Der Wunsch, Macht auszuüben, sei ein zeitloses Merkmal unserer Spezies, und in der Politik gehe es daher unabänderlich um "agonale Konstellationen". Mit den alten "Machthistorikern" stimmt Nicklas also immerhin soweit überein, daß in dieser Konzeption kein Platz mehr für die historiographische Illusion ist, aus der Geschichte Material für die "kritische" gesellschaftliche "Selbstaufklärung" gewinnen zu können.

 

Wärme entfaltet ungeahnte Fähigkeiten

WÜRZBURG. Seit Jahrhunderten rätselten Imker über die leeren Waben im Stock, die von den Bienen weder zur Vorratshaltung noch zur Aufzucht der Larven verwendet werden. Jetzt erst hat die Arbeitsgruppe um den Biologen Jürgen Tautz von der Universität Würzburg die Funktion dieser Platzhalter aufgeklärt. Arbeiterinnen setzen sich zeitweise dort hinein, um durch starkes Flügelschlagen ihre Körpertemperatur von 35 auf bis zu 43 Grad zu erhöhen. Damit wärmen sie die Larven in den angrenzenden Waben. Die Bienen tragen Temperatursensoren, durch die sie erfahren, welche Larven zu sehr abgekühlt sind. Wie wichtig die Wärme ist, zeigt sich im Experiment: Kühl gehaltene Larven entwickeln später nicht die vollen Fähigkeiten, über die jede Biene verfügt und die im Laufe eines Lebens verschiedene "Berufsstationen" ermöglicht, von der "Putzkolonne" bis zum "Außendienst". Das Beispiel der Bienen zeigt allgemein, wie stark Einflüsse während der Embryonalentwicklung die spätere Leistungsfähigkeit beeinflussen können.

 

Geschichtspolitik: Wem gehört der 20. Juli ?

BERLIN. Wie alle erinnerungspolitisch umkämpften Daten der jüngeren Zeitgeschichte hat auch der Versuch, am 20. Juli 1944 Adolf Hitler zu töten, eine Serie von Deutungen produziert. Kurz vor dem 60. Jahrestag ist über die historische Einordnung und die moralische Bewertung des Attentats noch immer ein vielstimmiger Chor vernehmbar. Im Organ der Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte (B 27/04), unternimmt Tilmann Mayer angesichts dieser Differenzen den Versuch einer konsensfähigen "geschichtspolitischen Verortung". Mayer bezieht sich dabei auf die "Renovierungsarbeiten an den Geschichtsbildern", die dazu geführten hätten, daß immer mehr Deutsche den 8. Mai 1945 als "Tag der Befreiung" verinnerlichen. Auf dieser Basis könne dann der 20. Juli als "versuchte Selbstbefreiung" gelten. Obwohl nicht alle Widerstandskreise, die auf das Attentat zuarbeiteten "eine Demokratie heutiger Prägung" anstrebten, lüden sie bundesdeutsche Zeitgenossen zur Identifizierung ein, weil ihre "antitotalitäre" Orientierung den kleinsten zustimmungsfähigen Nenner bilde.

 

Kopftuchurteil: Feilen an den Verbotsgesetzen

TÜBINGEN. Im September 2003 hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, daß das Tragen eines muslimischen Kopftuchs während des Schuldienstes auf formell-gesetzlicher Grundlage verboten werden könnte. Seitdem drechseln zahlreiche Verwaltungsjuristen an einem Gesetzestext, der verfassungskonform sein muß. Diese Vorschläge, die in verschiedenen Bundesländern bereits vorliegen, unterziehen die Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis und Peter F. Bultmann einer kritischen Prüfung (Juristen-Zeitung, 12/04). Als problematisch sehen die beiden Juristen den baden-württembergischen Entwurf an, der die "äußere Bekundung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte", etwa ein Kreuz auf dem Revers, vom grundsätzlichen Verbot entsprechender Bekundungen ausnimmt. In dieser Fassung verstoße der Entwurf klar gegen das verfassungsrechtliche Gebot der strikten Gleichbehandlung aller Religionen durch den Staat. Doch abgesehen von ähnlichen Vagheiten in anderen Entwürfen werde der Kern der Verbotsfassungen einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung wohl standhalten. Fast alle Entwürfe zielen auf das Verbot von Kleidung und Zeichen, die nach dem objektiven Empfängerhorizont zu den Freiheits- und Gleichheitsrechten des Grundgesetzes in Widerspruch stehen und geeignet sind, den Schulfrieden zu beeinträchtigen.

 

Rotstift gegen Leselust: Über Berliner Büchereien

REUTLINGEN. Ungeachtet der Dominanz der "neuen Medien" sei die Nachfrage nach den Dienstleistungen der öffentlichen Bibliotheken Berlins ungebrochen groß. Mit dieser erstaunlichen Feststellung eröffnen Susanne Metz und Jörg Arndt ihre Übersicht über die Bibliothekslage in der Bundeshauptstadt (BuB. Forum für Bibliothek und Information, 56/04). Trotzdem spielt diese Nachfrage auf bildungspolitischer Ebene keine Rolle, da seit zehn Jahren der Rotstift die Bibliotheksetats zusammenstreicht. Der Medienetat belief sich 1992 noch auf 6, 6 Millionen Euro, während er 200 auf 1,9 zusamenschrumpfte. Von 173 Bibliotheksstandorten gibt es heute noch 99 - "Tendenz stark sinkend".

 

Erste Sätze

Hügelauf, hügelab führte der schattige Weg nach der Wassermühle.

Katarina Botsky: Der Traum , München 1918


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