© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/04 16. Juli 2004

Nicolas Sarkozy
Ein freier Mann
Marie-Caroline Leroux

Ich bleibe ein freier Mann", sagte Nicolas Sarkozy letzten Samstag Le Monde. Diese Antwort des französischen Wirtschafts- und Finanzministers auf die Frage nach seinen Karriereplänen ist nicht so harmlos, wie sie klingt. Als Sohn eines emigrierten ungarischen Aristokraten und einer Mutter mit griechisch-jüdischen Wurzeln hat er wohl bereits als jüngstes dreier Kinder seine Durchsetzungsfähigkeit beweisen müssen.

Gepaart mit Mut und der Fähigkeit, über Niederlagen hinwegzukommen, hat dies seinen außergewöhnlichen Werdegang ermöglicht. Geboren 1955, integrierte er sich schnell ins Milieu kämpferischer Gaullisten. Parallel dazu absolvierte er sein Studium, das er mit einem Magister in Privatrecht und einem Diplom des Institut d'Etudes Politiques de Paris abschloß.

Mit 28 Jahren wurde er jüngster Bürgermeister Frankreichs - in Neuilly-sur-Seine, einer vornehmen Stadt westlich von Paris. Sein Konflikt mit dem Kreis um Chirac begann 1974 als Unterstützer von Jacques Chaban-Delmas im Wahlkampf gegen den bürgerlichen Präsidentschaftskandidaten Valéry Giscard d'Estaing, der vom damaligen Innenminister Jacques Chirac unterstützt wurde. 1995 kam es zum Eklat mit Chirac, als Sarkozy sich mit Edouard Balladur verbündete, dem Rivalen bei den Präsidentschaftswahlen.

Trotzdem ernannte Chirac den "Verräter" Sarkozy 2002 zum Innenminister. Aber die aktuellen Spannungen bringen alte Erinnerungen zurück. Inzwischen die Präsidentschaftswahlen 2007 fest im Blick, positioniert sich Sarkozy immer häufiger. Sein Le Monde-Interview erschien nur vier Tage vor der traditionellen Ansprache des Staatspräsidenten zum Nationalfeiertag am 14. Juli. Nun ist der Präsident in Zugzwang, sich auch zu Sarkozys Vorstellungen zu äußern. Der "Krieg" scheint damit eröffnet. "Frankreich hat keine Angst vor Reformen. Es fürchtet den Wandel nicht, es wartet auf ihn", so die gegen jeden Stillstand gewandte These Sarkozys. Es gehe darum, den Arbeitnehmern zu ermöglichen, mehr Geld zu verdienen, indem man erlaubt, über 35 Stunden pro Woche zu arbeiten, "die aller Wahrscheinlichkeit als gesetzliche Wochenarbeitszeit bestehen bleiben". Läßt Sarkozy sich gar von einem Liberalismus à l'américaine inspirieren?

Auch außenpolitisch ließ Sarkozy aufhorchen. Daß er als Industrieminister die Interessen französischer Konzerne energisch vertritt, mag deutsche Unternehmenslenker ärgern. Daß er aber im Juni öffentlich forderte, die engen deutsch-französischen Beziehungen müßten auch auf England, Italien, Spanien und Polen ausgeweitet werden, sollte in Berlin die Alarmglocken klingen lassen.

Sarkozy ist ein freier Mann, dies betont er immer wieder. Und sollte er in drei Jahren französischer Staatspräsidentschaft werden, bekommt er damit auch automatisch die "Freiheit", die Pariser Außenpolitik neu zu bestimmen. Diese könnte dann etwas anders aussehen, als wir es in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren.


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