© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/04 16. Juli 2004

Leserbriefe

Zu: "Alle Opfer sind gleich" von Günter Zehm, JF 28/04

Wahrlich "befreit"

Dieser Tag ist wahrhaftig ein Grund zum Feiern. Der 8. Mai 1945 war in der Tat der Tag unserer Befreiung. Wir Heimatvertriebenen wurden von allem befreit, was wir besaßen. Dann noch diese wunderbare "erzwungene Wanderschaft", wie die Vertreibung "politisch korrekt" bezeichnet wird. Mit einem Liedlein auf den Lippen brachen wir auf, fröhlich gestimmt im Frühtau nach Westen. Alle diese wunderbaren Eindrücke, die wir auf dieser Wanderschaft sammeln konnten, wären uns vorenthalten geblieben. Die drei Millionen Menschen, die von uns auf der Strecke blieben sind wirklich billigend in Kauf zu nehmen. Sie waren einfach zu schwach für dieses Abenteuer. Außerdem waren es ja nur Ostdeutsche. Davon gibt es immer noch zu viele. Ein Dank den Alliierten Siegern und vor allem den Polen und Russen, die uns diese Lebensbereicherung ermöglichten.

Auch wir Heimatvertriebenen pflegen unsere Erinnerungen und schützen unsere Kinder vor Geschichtsverfälschungen. Meine Definition für "Political Correctness" ist: "Bagatellen hochtrabend zu formulieren und saubere Bezeichnungen für schmutzige Tatbestände zu erfinden".

Dr. med. Friedrich Walter, Wankendorf

 

Verachtung

Und wenn sie schreien und zetern: der Anstand, die Mitmenschlichkeit und die christlich-abendländische Kultur lassen keine ungleichen Opfer zu. Wer Opfer in Schubladen und in Rangfolgen sortiert, hat sich von unserer Kultur verabschiedet, für mich sein Menschsein aufgegeben. Warum das Menschen nicht begreifen wollen, kann ich mir nur damit erklären, daß sie mit der Hierarchierung von Opfern eigensüchtige Interessen verfolgen. Wer Opfer benutzt, vergeht sich an ihnen.

Schauen wir uns die Personen genau an, die uns einreden wollen, daß eine zu Tode vergewaltigte oder an ein Scheunentor genagelte deutsche Frau nur ein minderes Opfer ist. Verachten wir sie als Person, aber hüten wir uns davor, sie zu Repräsentanten einer bestimmten Gruppe zu machen.

Wolfgang Bensburg, Dresden

 

 

Zu: "Wenn die Demokratie erstickt" von Dieter Stein, JF 28/2004

Es ist perfide

Es geht um Macht. Sie zu sichern, ist vielleicht nicht jedes Mittel in einer Demokratie recht, aber doch sehr viele. Und so bemüht sich auch der werte Innenminister, die ihm genehme Macht zu stabilisieren und in ein Fundament zu gießen.

Der Feind (nicht etwa der politische Gegner) steht rechts. Wobei kaum ein Bürger weiß, was eigentlich "rechts" ist, welche Inhalte sich hinter diesem Begriff verbergen, der noch in rechts, rechtsradikal und rechtsextremistisch aufgespalten ist. Wer will diese Begriffe unterscheiden, die im ständigen Wechsel benutzt werden und doch nur ein einziges Übel bezeichnen sollen.

Es ist schon perfide, was da in unserem Lande abläuft, wie da Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht beschnitten wird oder beschnitten werden soll.

Heiko Breitensee, Paderborn

 

Stolz auf die Jugend

In einer Demokratie, die schon längst keine mehr ist, einem Kulturstaat, der die Leidkultur pflegt, und einem Rechtsstaat, in dem rechte Wahrheit auf dem Altar linker Idiotien geopfert, wo Pisa selbst Erwachsene betrifft - da kann man nur noch stolz auf die Jugend blicken, die für Historisierung und Normalität ist. Wir "Alten" sollten immer für sie da sein. 

Manfred Six, Augsburg

 

Mittel gegen Unruhen?

Das geplante neue Demonstrationsrecht dient zwar auf der einen Seite der weiteren formaljuristischen Etablierung einer politisch-korrekten Gesinnungsdiktatur, allerdings sollten auch weitere mögliche Hintergründe in Betracht gezogen werden: Man will sich wohl rechtzeitig ein probates Mittel zur Kanalisierung sozialer Unruhen schaffen - im Zuge der Auswirkungen der EU-Osterweiterung, der insgeheim schon "beschlossenen" Aufnahme der Türkei in die EU oder von Hartz IV zum Beispiel. Sollte das alles nichts mehr nützen, würden wohl viele der Regierenden nicht eine Sekunde zögern, bewaffnete Kräfte gegen das eigene Volk einzusetzen - wie weiland die SED-Diktatur 1953.

Fritz Werner, Verden-Borstel

 

 

Zu: "Mit der Wirklichkeit nichts zu tun", Interview mit Carl-Dieter Spranger, JF 28/04

Absolute Funkstille

Bundesminister a. D. Spranger behauptet: "CSU und CDU haben sich immer der Opfer der SED-Diktatur angenommen." Das entspricht nicht den Tatsachen. Bis zur Wiedervereinigung war ich Leiter des Arbeitsausschusses DDR in der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Bei der politischen Führung von CDU und CSU gab es keine wirkliche Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit über die Menschenrechtsverletzungen in der DDR. Nur mit größter Mühe ist es uns gelungen, eine Anhörung zu den Haftbedingungen vor dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen anzuregen. 1977, also in der Oppositionszeit, erschien dann ein Weißbuch der CDU/CSU über die menschenrechtliche Lage in Deutschland und der Deutschen in Osteuropa.

Diese Dokumentation ging nur in wenigen Exemplaren in die Öffentlichkeit. Wahrnehmen konnte es kaum jemand. In der Regierungszeit Kohl herrschte dann absolute Funkstille. Das innerdeutsche Ministerium verweigerte bis zum Schluß eine offizielle Dokumentation über die Menschenrechtsverletzungen in der DDR. Die CDU/CSU-Fraktion hat unsere Forderung nach öffentlichem Zugang zu den umfangreichen Akten der Zentralen Erfassungsstelle über die Verbrechen im SED-Staat in Salzgitter abgelehnt. Auch die Lage der freigekauften Häftlinge hatte sich nicht verbessert.

Natürlich haben einige wenige Unionsabgeordnete praktisch in Eigeninitiative Unterstützung geleistet, aber das waren Ausnahmen. Die Führungsleute, und nicht nur Kohl und Strauß, haben sich immer herausgehalten. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Dr. Wulf Rothenbächer, per E-Post

 

 

Zu: "Mit Herz" von Felix Menzel, JF 28/04

Keine Mutige!

Im österreichischen Bundesland Salzburg sitze mit der ÖVP-Parteigängerin Doraja Eberle jetzt eine ausgewiesene Konservative in der Landesregierung, berichtet die JF und idealisiert damit eine Person, die die ehrenvolle Bezeichnung "konservativ" nicht wirklich verdient hat. Bis auf ihr fragwürdiges, weil wenig differenzierendes Hardcore-Auftreten gegen die Abtreibung hat sich Frau Eberle politisch nämlich bis dato stets als zeitgeist-anschmiegsame Schönwetter- und Society-Konservative erwiesen. Wo war denn die angeblich so konservative Neo-Politikerin, als es galt, gegen die (leider auch in Salzburg Station machende) Wehrmachtsausstellung aufzutreten? Wo war sie, als Mutigere Front gegen linke Versuche gemacht haben, Denkmäler zu entfernen und angeblich politisch belastete Straßennamen umzubenennen? Wo war sie, als in Salzburg für viel Steuergeld ein völlig unnötiges, dafür aber maximal politisch korrektes Antifaschismus-Denkmal errichtet worden ist?

Nirgends ein feststellbarer überdurchschnittlicher politischer Mut im konservativen Sinn. Stattdessen Schweigen, wo wirkliche Konservative gekämpft haben. Und so jemandem attestiert die JF "politisches Herz" und konservatives Profil? Indem eine knieweiche normale Christlichsoziale mit CDU- oder ÖVP-Durchschnittsmut wie Frau Eberle zur Konservativen hochgejubelt wird, verzerrt die JF die Fakten. Frau Eberle hat sich das völlig unkritische JF-Lob absolut nicht verdient.

Franz Spitzauer, Salzburg/Österreich

 

 

Zu: "Ein Stück Entsorgung der deutschen Geschichte", Dokumentation der Bundestagsdebatte zur Erinnerungskultur, JF 28/04

Auf Knopfdruck Phrasen

Beim Lesen des Protokolls gewinnt man den unschönen Eindruck, daß viele Abgeordnete weder sachorientiert noch sachkundig diskutieren; sei es, daß sie dazu nicht in der Lage sind, weil schon das genaue Lesen und Verstehen eines gegnerischen Antrages ihre Fähigkeiten übersteigt, sei es, daß sie wider besseren Wissens nicht willens sind. Im ersteren Falle gehören sie auf Stellensuche ins Arbeitsamt, im zweiten Fall vor ein Gericht wegen Verstoß gegen ihre eigentliche Aufgabe ("zum Wohle des deutschen Volkes" usw.). In den Bundestag gehören sie jedenfalls nicht. Einige Abgeordnete (zum Beispiel Frau Roth), deren Diskussionsbeitrag sich offenbar darauf beschränkt, auf Knopfdruck betroffenheitsschwangere und ideologiestrotzende Phrasen von sich zu geben, könnte man gleich durch ein Tonband ersetzen. Bei gleichbleibender Diskussionsqualität wäre so ein ansehnlicher Beitrag des Bundestages zu den allgemeinen Sparmaßnahmen erreichbar.

Tobias Wieczorek, per E-Post

 

 

Zu: "Vom Verschwinden des Demos" von Felix Menzel und "Positiv denken fällt hier schwer" von Richard Stoltz, JF 28/04

SPD nicht allein Schuld

In den Beiträgen fallen unter anderem die Sätze: "Der Leser faßt sich an den Kopf. Lebt er eigentlich im selben Land wie Walser". Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, denn nach Lektüre beider Artikel faßte ich mir an den Kopf. Die Autoren wollen dem geneigten Leser nicht im Ernst glauben machen, die SPD trage die alleinige Verantwortung für die aufgeführten unhaltbaren Zustände.

Die größte Zuwanderung in der Geschichte der BRD fand unter Regie der CDU statt und Sie meinen ja wohl nicht im Ernst, daß die CDU über ein auch nur halbwegs tragbares Reformkonzept verfügt. Die SPD verwaltet schließlich nur das, was CDU/CSU/FDP ihr hinterlassen haben. Bedenken Sie bitte die Auswirkungen solcher Beiträge auf Ihre Leserschaft. Sie zerstören damit Ihre in langen Jahren mühevoll aufgebauten Grundlagen. 

Kay-Uwe Hegr, per E-Post

 

 

Zu: "Tödlicher Ökofanatismus" von Bernd-Thomas Ramb, JF 27/04

Kleine Ungereimtheiten

In dem Anti-Öko-Artikel sind Unwahrheiten enthalten, die einer Richtigstellung bedürfen: Sicherheitsrisiken durch Langzeitanwendungen genveränderter (nicht veredelter) Pflanzen sind nicht hinreichend erforscht. Bekannt ist bislang nur, daß Schmetterlinge an genverändertem Mais sterben, und Landwirte Krankheits- und Todesfälle nach dessen Verfütterung bei ihrem Vieh beklagen.

Rapspollen fliegt nicht 30 oder 500 Meter, sondern über 20 Kilometer weit. Es ist aus biologischen Gründen unmöglich, eine Verunreinigung von natürlichen mit genveränderten Pflanzen zu vermeiden. Genmais und -raps sind nicht zum Wohle des Verbrauchers verändert worden, sondern nur zum Wohle der Herstellerfirma Monsanto, da diese auch das Herbizid herstellen, gegen das die Pflanzen resistent sind. Der Handel mit beidem ist ein Milliardengeschäft, das rücksichtslos und mit allen Mitteln global vorangetrieben wird, gegen den Willen der großen Mehrheit der Verbraucher.

Hier geht es weder um Menschlichkeit noch um Umweltschutz, hier geht es einzig um Macht, Einfluß und viel, viel Geld. 

Dr. Heidemarie Häßler, Wurmlingen

 

Genveredelt oder genversaut?

Da staunt der Laie: 30 Meter Sicherheitsabstand sollen zur Abschottung eines Rapsfeldes mit genveredelten Pflanzen genügen? In 30 Meter Umkreis meines Gartens finde ich keinen Bienenstand, doch Bienen massenhaft. Imker sagen, Bienen flögen kilometerweit. Da wäre dann auch die gesetzliche Vorgabe eines Sicherheitsabstands von 500 Metern noch ungenügend. Oder wird das veränderte Erbgut etwa nicht auch über die Pollen verbreitet?

Wegen des Sprachgebrauchs habe ich gegoogelt. Für "gentechnisch verändert" fand ich 23.100 Treffer, für "genmanipuliert" 3.690, für "gentechnisch manipuliert" 2.580, für "genverändert" 413, für "gentechnisch veredelt" 257, für "genveredelt" 0. Diese Wortschöpfung scheint aus der JF zu stammen.

Ulrich Beck, per E-Post

 

 

Zu: "Panoptikum biographischer Miniaturen" von Stefan Scheil, JF 27/04

Mehr Konkurrenten

Der Tenor von Stefan Scheils Rezension von Werner Bräuningers Buch "Hitlers Kontrahenten in der NSDAP" lautet sinngemäß, daß keiner der innerparteilichen Gegner Hitlers Alleinherrschaftsanspruch hätte stellen können oder wollen. Dies trifft jedoch nur auf einen kleinen Teil des Personenkreises zu, der von Bräuninger dargestellt wird. Der "Deutsch-Völkische" von Graefe etwa bestritt bereits früh und massiv Hitlers diktatorische Ambitionen, ebenso der Thüringer Gauleiter Dinter. Auch der bayerische Monarchist und Kabinettschef Kronprinz Rupprechts, Graf Soden-Fraunhofen, setzte dem "Führer" 1929 enorm zu und schon 1921 sah sich Hitler sogar dazu genötigt, seinen Austritt aus der NSDAP zu erklären, nachdem die damalige Führung der Partei ohne Hitlers Einverständnis Fusionsverhandlungen geführt hatte.

Sie alle hatten auf ihre Art versucht, Hitlers Verständnis als "Führer-Papst" ad absurdum zu führen. Diese Männer werden von Scheil merkwürdigerweise nicht genannt, finden aber bei Bräuninger Erwähnung. Insofern ist sein Buch eine sinnvolle Ergänzung zu den bekannten Darstellungen über die Brüder Strasser und SA-Chef Röhm, die eben nicht die einzigen Kontrahenten Hitlers waren. 

Heinrich Passow, Limburg

 

 

Zur Meldung: "Nein zur Schreibreform", JF 27/04

Keine Einsicht

Wenn unsere honorigen Kultusminister und Reformer immer wieder vollmundig vom noch leichteren Lernen nach den neuen Rechtschreibregeln predigen, dann hört sich das natürlich positiv an. Auch kein Wunder, da sich fast überhaupt niemand der durchschnittlichen Normalbürger mit den Reformregeln bisher intensiv beschäftigt hat.

Die Lehrer und Eltern müssen aber hinnehmen, was die Reform ihnen und ihren Schülern bzw. Kindern auftischt. Mit unguten Gefühlen blickt man daher auf den August 2005 - wenn nach den neuen Regeln benotet werden muß, denn zum Teil haben viele Schulkinder enorme Schwierigkeiten, sich an die neue Rechtschreibregelung zu gewöhnen. Viele Fachleute sehen jetzt schon eine horrende Flut von Klagen auf die Lehrer zukommen, die dann nur noch nach dem zutiefst widersprüchlichen Regelwerk zensieren dürfen und sich selbstverständlich ständig die neueste Ausgabe des Regelwerks besorgen müßten.

Da darf man nur gespannt sein, wann unser Land den endgültigen Anschluß an den internationalen Bildungsstandard verpaßt und verloren hat, vor lauter Nachschlagen in verschiedenen Wörterbüchern.

Sven Hauke Ericksen, Delmenhorst

 

 

Zu: "Kein Verstoß gegen die Grundrechte" von Ekkehard Schultz, JF 27/04

Es darf keine Ausnahme geben

Stasi-Akten spielen schon seit Jahren vor bundesdeutschen Gerichten eine wichtige Rolle. Die Anklage gegen Ex-Staats- und Parteichef Honecker im Jahre 1992 etwa stützte sich ebenso auf Aufzeichnungen des Mielke-Ministeriums wie auch die Verurteilung zahlreicher DDR-Agenten im Ausland.

Für hochrangige Politiker und andere Persönlichkeiten der Zeitgeschichte darf es keine Ausnahmeregelung geben. Auch ihnen muß zugemutet werden, daß Informationen über ihr Wirken öffentlich gemacht werden. Und damit bleibt am Ende des Verfahrens die Frage unbeantwortet, warum Altkanzler Kohl ein so großes Interesse daran hat, daß seine Stasi-Akten verschlossen bleiben. Als Kanzler hatte er den Entwurf für das Stasi-Unterlagengesetz unterzeichnet, als Kläger hat er ihm schweren Schaden zugefügt. So erhält der Verdacht neue Nahrung, in den Akten könnten sich doch Hinweise auf Namen anonymer Spender finden lassen.

Gerhard Drechsler, Melsungen


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen