© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/04 13. August 2004

"Trotz Kanzlerdrohung im Herbst vor Gericht"
Interview: Rudi Pawelka, Sprecher der heftig umstrittenen Preußischen Treuhand, über die jüngsten Angriffe gegen den Verband
Moritz Schwarz

Herr Pawelka, Sie sind Sprecher und Aufsichtsratsvorsitzender der Preußischen Treuhand (JF 8/04), die die Entschädigung von enteigneten Vertriebenen auf privatrechtlichem Wege gegenüber Polen erreichen will. Warum wollen Sie "die Geschichte auf den Kopf stellen", wie Bundeskanzler Schröder es bei seinem Besuch in Warschau formuliert hat?

Pawelka: Es ist mir schleierhaft, wie der Bundeskanzler sich zu solch einer Formulierung versteigen konnte. Das klingt ja, als ob wir das, was Polen von Deutschen ab 1939 angetan worden ist, leugnen würden. Völlig absurd! An was wir mit unserer Arbeit lediglich erinnern, ist das Unrecht, das außerdem auch Deutschen zugefügt worden ist. Die Logik des Kanzlers folgt offensichtlich dem Prinzip der Aufrechnung. Ist er sich eigentlich im klaren darüber, daß dies das Prinzip der Blutrache ist? Wir dagegen plädieren für das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das jedes Unrecht betrachtet.

Dem setzte der Kanzler in Warschau die Erkenntnis entgegen, daß "wir Deutsche den Krieg angefangen haben".

Pawelka: Bundespräsident Herzog hat 1995 in einer Rede daran erinnert, daß Josef Stalin schon zu Beginn des Zweiten Weltkrieges - etwa mit seinem Einmarsch in Polen 1939 - ein System von Annexion und Vertreibung in Osteuropa durchgesetzt hat. Am Ende des Krieges traf dann auch Deutschland, was von Anfang an schon - genau genommen beginnend mit dem sowjetischen Angriff auf Finnland - Stalins Kalkül gewesen ist. Es ist also nicht so, daß die Vertreibung ein reines Reaktiv auf den deutschen Angriff darstellt - und das weiß der Kanzler auch. Ganz abgesehen davon, daß auch dies die Vertreibung moralisch nicht rechtfertigen würde.

Welche Konsequenzen fürchten Sie infolge der Drohungen des Kanzlers konkret?

Pawelka: Der Bundeskanzler hat in Warschau scharfe Worte gefunden und angekündigt, auf die Gerichte Einfluß nehmen zu wollen. Dieser Angriff auf die Gewaltenteilung kann aber die Rechtslage nicht verändern. Es bleibt zu hoffen, daß die Gerichte sich nicht unter Druck setzen lassen.

Erika Steinbach, Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV), hat den Kanzler aufgefordert, rechtliche Schritte folgen zu lassen.

Pawelka: Es ist kein Geheimnis, daß Frau Steinbach schon seit längerer Zeit massiv gegen die Treuhand vorgeht (JF 23/04). Das hängt wohl mit dem Druck zusammen, unter dem sie von seiten der etablierten Politik steht sowie von seiten des Kuratoriums des Zentrums gegen Vertreibungen.

Frau Steinbach bezeichnet Sie mittlerweile als "nicht satisfaktionsfähig".

Pawelka: Leider ist das nicht das erste Mal, daß Frau Steinbach persönlich wird. Außerdem verbreitet sie öffentlich, etwa auf der letzten BdV-Bundesversammlung, unsere Klienten würden ihr Geld nie wiedersehen. Sie unterstellt also quasi einen Anlagebetrug. Also, das ist schon starker Tobak! In der Sache hat die BdV-Bundesversammlung noch im Mai 2003 beschlossen, "alle rechtlichen Möglichkeiten" zur Heilung des Vertreibungsunrechtes zu nutzen. Und im Januar 2004 hat das BdV-Präsidium, im Mai 2004 die Bundesversammlung betont, alle Vermögensfragen seien offen, und es bleibe das Ziel, die berechtigten Anliegen der Vertriebenen durchzusetzen.

Mittlerweile distanziert sich sogar die Landsmannschaft Ostpreußen (L0) von der Preußischen Treuhand und möchte ihre Anteile gerne verkaufen.

Pawelka: Die LO hat die Treuhand gegründet! Heute betont die LO, daß sie nicht in die Führung der PT involviert ist. An der Basis der LO ist die Stimmung nach meiner Einschätzung pro Treuhand. Im übrigen arbeiten nach wie vor viele führende Ostpreußen bei uns mit. Ein Ausstieg der LO aus der Treuhand wird nicht möglich sein.

Bislang ist die Preußische Treuhand noch damit beschäftigt, Entschädigungsfälle zu sammeln. Wann werden Sie tatsächlich juristisch aktiv?

Pawelka: Ende August werden wir den nächsten Schritt beraten und dann wohl im Herbst erstmals vor Gericht gehen. Parallel zu Prozessen in Polen, die natürlich wenig erfolgversprechenden sind, werden wir wohl in Straßburg und Luxemburg klagen und notfalls auch in den USA. Sammelklagen sind in Europa nicht möglich, aber wir werden exemplarische Fälle aus Gruppen ähnlich gelagerter Fälle auswählen und dann durchfechten.

Experten beurteilen Ihre Erfolgsaussichten als eher gering.

Pawelka: Weil die meisten der Völkerrechtler den Sachverhalte und damit den Kern des Problems nicht kennen. Nämlich, daß es sich um Diskriminierung handelt, weil die enteigneten Vertriebenen, Aussiedler und Heimatverbliebenen anders behandelt werden als andere Ausländer oder Polen.

Sind aber zumindest Vertriebene und Aussiedler nicht schon per Lastenausgleich entschädigt worden?

Pawelka: Der Lastenausgleich war nichts weiter als eine kleine Starthilfe für die Deutschen, die 1945 buchstäblich mit nichts als dem, was sie bei sich trugen, im Westen ankamen. Er entsprach nicht im entferntesten den Werten, die viele in der Heimat verloren hatten. Übrigens war der Lastenausgleich auch nie als eine Entschädigung gedacht: Ausdrücklich weist das entsprechende Gesetz daraufhin, daß das Eigentum nicht tangiert ist. Der Lastenausgleich war vielmehr eine Art "Solidaritätszuschlag" zur Überwindung der unmittelbaren Not der Deutschen, die die Folgen des Krieges härter getroffen hatten als andere. Und außerdem geht es den meisten Vertriebenen gar nicht ums Geld, sondern darum, wenigstens einmal noch die Anerkennung des Vertreibungsunrechts - das heißt Gerechtigkeit - zu erfahren. Es soll ein Signal in die Welt gehen, daß Vertreibungen sich nicht lohnen, sondern ein dafür verantwortlicher Staat sich dem verursachten Unrecht einmal stellen muß.

 

Rudi Pawelka, 64, ist Aufsichtsratsvorsitzender der Preußischen Treuhand GmbH & Co. KG a.A. sowie Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien.

Kontakt: Preußische Treuhand, Werstener Dorfstraße 187, 40591 Düsseldorf, Internet: www.preussischetreuhand.de.vu  

 

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