© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/04 13. August 2004

Die Politik im Feldhamsterloch
Artenschutz: Jetzt sollen ausgerechnet die possierlichen Nagetiere für die Wirtschaftsflaute verantwortlich sein
Thorsten Thaler

Sie gelten als Störenfriede, die die Ernte schädigen, Industrieansiedlungen stoppen und Arbeitsplätze verhindern und deswegen am besten ausgerottet gehören. Die Rede ist von Feldhamstern, jenen kleinen possierlichen Fellknäueln mit Knopfaugen, die in Deutschland auf der Liste der gefährdeten Tiere als "stark gefährdet" eingestuft sind und nach der Bundesartenschutzverordnung zu den besonders geschützten Tierarten zählen. Doch trotz zahlreicher Schutzprogramme zeigt sich die Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz (AGFHA) besorgt. Fast alle Feldhamsterpopulationen seien in diesem Jahr "regelrecht zusammengebrochen". Während die Presse nur Hohn für den Schutz des Feldhamsters übrig habe, drohe diese Tierart "einfach auszusterben", klagt die AGFHA.

Wie einseitig wirtschaftsfreundlich Medienberichte ausfallen können, demonstrierte vergangenen Donnerstag das ARD-Magazin "Panorama". Die Polit-sendung berichtete über Fälle in Braunschweig, wo ein Hamsterloch auf einem Feld den Bau einer Straßenbahnlinie verzögert, und in Würzburg. Dort verzichtete der schwedische Möbelhersteller IKEA auf den Bau eines Auslieferungslagers, angeblich weil die Umsiedlung von Feldhamstern zu lange dauern würde und zu teuer wäre. Und in Mainz mußte die Errichtung eines geplanten Wirtschaftsparks mit Tausenden von Arbeitsplätzen vorerst gestoppt werden, nachdem auf dem Baugelände Hamsterlöcher entdeckt wurden. Die Umsiedlung der Tiere soll über zwei Millionen Euro kosten. Entschieden zuviel, meinte "Panorama" und präsentierte einen Mainzer Stadtrat, der die Kosten für den Hamsterschutz prompt gegen Kürzungen bei der Kleiderpauschaule für Sozialhilfeempfänger und die Renovierung von Kindergärten ausspielte. Von Einbußen bei der millionenschweren Parteienfinanzierung, mit der zum Beispiel Parteiprogramme alimentiert werden, die auch Tier- und Artenschutz versprechen, war natürlich keine Rede.


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