© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/04 13. August 2004

CD: Klassik
Zwiespältig
Jens Knorr

Zwischen März 2002 und Oktober 2003 haben der Bariton Roman Trekel und der Pianist Burkhard Kehring Lieder von Wolfgang Fortner, Gustav Mahler, Frank Martin, Viktor Ullmann und Hugo Wolf im Studio aufgenommen, die auf zwei CDs erschienen sind. Die eine bringt Fortners "Vier Gesänge" nach Hölderlin mit Mahlers "Lieder eines fahrenden Gesellen", Martins "Sechs Monologe aus 'Jedermann'" und Wolfs "Drei Gedichte von Michelangelo" zusammen (Berlin Classics 0017532BC), die andere Ullmanns "Liederbuch des Hafis" und drei Lieder nach Hölderlin mit fünf Liedern nach Friedrich Rückert und vier Liedern aus "Des Knaben Wunderhorn" von Mahler (Berlin Classics 0017472BC).

Erscheinen die Zusammenstellungen durchaus als klug konzipiert, so hinterläßt die Interpretation einen zwiespältigen Eindruck. Trekel und Kehring nehmen dem Hörer eventuell vorhandene Reserviertheiten gegen eine gemäßigte Moderne, wie sie Fortners und Martins Liederzyklen vorstellen, die hier gar nicht mehr sperrig klingen will. Die Interpreten richten ihre und die Aufmerksamkeit des Hörers ganz auf diese beiden doch verschiedenartigen Weisen, Schicksal und Tod zu begegnen: die unversöhnliche, jeglicher Hoffnung entsagende Wolfgang Fortners von 1933 und die versöhnliche Frank Martins von 1943, die Jedermanns Weg von Todesangst und Aufbegehren über Erinnerung, Reue und Umkehr zur Erlösung nachvollzieht. In die drei Lieder Hugo Wolfs und mehr noch in die Lieder Gustav Mahlers aber schleicht sich ein Theaterton ein, der sich - bei aller konzedierten Spannbreite - auf die einkomponierten Ausdruckscharaktere nicht glaubwürdig berufen kann.

Roman Trekel ist als Liedsänger noch zu sehr Bühnensänger. Im Jahr 1963 in Pirna geboren, studierte er 1980-1986 an der Berliner Musikhochschule Hanns Eisler Gesang und wurde 1986 in das Opernstudio der Deutschen Staatsoper Berlin aufgenommen, deren Ensemble er seit 1988 angehört. Hier sang er den Pelléas unter dem Dirigat von Michael Gielen, und hier begann die internationale Karriere Trekels, der mit wichtigen Dirigenten und Regisseuren zusammenarbeitet und auf den großen Opernbühnen und Konzertpodien Europas, in Rundfunk und Fernsehen regelmäßig zu sehen und zu hören ist.

Besonders von den Wolf- und Mahler-Liedern läßt sich Trekel immer wieder dazu verführen, fehlendes Stimmvolumen durch Forcieren und theatralische Attitüde zu kompensieren, dabei haben sie weder der Sänger noch seine Lieder nötig. Immer dann, wenn er ihnen einen, seinen, ganz individuellen Ton aufzwingen will, verfehlt er den ihren auf das Gründlichste. So bekommen sie den Touch verkappter Opernszenen mit Trekel in der Titelrolle, der das, was zu erzählen wäre, letztlich auf die Stimmungslage eines liebeskummrigen Ichs heruntertheatert.

Nicht etwa, daß da überhaupt keine Interpretation wäre, die etwas erzählen würde. Trekel ist immer dann gut, wenn er nicht vermuten muß, auf Erwartungshaltungen zu treffen, die zu erfüllen, zu enttäuschen oder zu unterlaufen wären. Den drückenden Alp vorbildhafter Interpretation schüttelt ein Sänger ja nicht etwa dadurch ab, daß er sich bemüht, eine eigene zwanghaft davon abzusetzen. Er vermag vielmehr den Liedern neu zu begegnen, indem er sich einzig ihrem Notentext rückhaltlos, "voraussetzungslos", ausliefert. Das erweist sich bei den Liedern Viktor Ullmanns - eingedenk der tragischen Biographie des in Auschwitz-Birkenau ermordeten deutschböhmischen, jüdischen Komponisten - als schier unmöglich. Wenn auch nicht jedes der Lieder seiner Stimmlage ganz entspricht, so leistet Trekel Hochachtbares, um Ullmanns Lieder für das Repertoire rückzugewinnen.


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