© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/04 20. August 2004

Beschämend
von Jörg Fischer

Daß Michael Schumacher am Sonntag den Großen Preis von Ungarn gewann, wurde in den deutschen Medien groß gefeiert. Ein anderes Ereignis, kaum 50 Kilometer vom Hungaroring entfernt, war bestenfalls eine einspaltige Meldung wert: Der ungarische Staatspräsident Ferenc Mádl weihte letzten Samstag ein Denkmal ein, das an die Zeltlager für Zehntausende Deutsche erinnern soll, die im August 1989 nur eines wollten: von Deutschland nach Deutschland - es aber nicht durften, da sie nur einen "Personalausweis der DDR" hatten.

"1989 war der Geist der Freiheit in Ungarn schon stark, das zog auch die Bürger der Staaten in das Land, die ein schwereres Schicksal zu erleiden hatten", sagte Mádl anläßlich der Feierstunde. Doch seine Worte wollten deutsche Politiker offenbar nicht hören. Kein einziger Berliner Minister war nach Budapest gekommen. So blieb auch der ungarische Außenminister und künftige EU-Kommissar László Kovács ohne ein deutsches Pendant. Selbst die in solchen Fällen gern "aushelfenden" Zeitzeugen Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl fanden diesmal keine Zeit. So wurde erneut deutlich, wie herz- und geschichtslos die heutige deutsche Politikergeneration ist. Daß die ungarische Regierung vor 15 Jahren durch ihr mutiges Handeln (die Sowjetarmee stand noch im Land), unterstützt von Menschen wie Pfarrer Imre Kozma, einen der entscheidendsten Impulse zum Zerreißen des Eisernen Vorhangs gab, sichert ihr zumindest einen wohlverdienten Platz in den Geschichtsbüchern - trotz deutscher Ignoranz.


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