© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/04 20. August 2004

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Konsequenz
Karl Heinzen

Der Standort Deutschland verliert nicht allein für Unternehmen an Bedeutung, auch für Militärs ist er immer weniger interessant. Die Russen sind schon lange weg, die Belgier, Niederländer, Kanadier und Franzosen ganz abgezogen oder so gut wie nicht mehr präsent. Sogar die Bundeswehr hat unterdessen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Arbeitsplätze in "Einsatzgebiete" ins Ausland verlagert. Alarmierend ist aber vor allem der Rückzug der Amerikaner: Noch vor zwei Jahrzehnten belebten sie mit 245.000 Soldaten nebst Familienangehörigen die heute so arg vermißte Binnennachfrage in unserem Land, jetzt sind es gerade einmal nominell 70.000. Und auch das nicht mehr lange: Bis zu 40.000 GI's werden den Plänen des Pentagon zufolge Deutschland verlassen, um an anderer Stelle fortan für den Frieden auf unserem Planeten zu arbeiten.

Die Bundesregierung trägt dafür jedoch nur in sehr geringem Umfang die Verantwortung. Sicherlich hat das beckmesserische Beharren darauf, daß es für den Krieg gegen den Irak nicht bloß einen plausiblen Grund, sondern vor allem eine Rechtsgrundlage geben müsse, die Amerikaner ermuntert, in ihrer Stationierungspolitik keine Rücksicht auf regionalwirtschaftliche Sonderinteressen in Deutschland zu nehmen. Das Ende des Kalten Krieges aber, das ein Überdenken der US-Truppenpräsenz überhaupt erst möglich gemacht hat, ist weder Gerhard Schröder noch seinen Vorgängern ernsthaft anzulasten. Die Sowjetunion ist ohne deutsches Zutun zusammengebrochen, und die DDR ließ sich annektieren, obwohl dies von der Bundesrepublik in den Jahren vor 1990 keineswegs vorgesehen war. Gleichwohl hat unser Land die Folgen aus der Überwindung des einstigen Ost-West-Gegensatzes solidarisch mit zu tragen und muß somit zum einen an der Einheit der Nation festhalten, obwohl diese als gescheitert anzusehen ist, und zum anderen den drastischen Schwund seiner geostrategischen Bedeutung ohne Murren hinnehmen.

Niemand kann im übrigen den Amerikanern unterstellen, sie wären außenpolitisch sprunghaft. Die Maximen, die sie einst zur massiven Truppenpräsenz in Deutschland motivierten, sind unverändert aktuell. Nach wie vor ist es für sie wichtig, daß Deutschland keine politische Rolle in Europa spielt und die russischen Ambitionen in die Schranken verwiesen werden. All dies läßt sich heute jedoch mit geringeren Kosten bewerkstelligen als einst. Unmißverständliche Signale an Moskau können weiter östlich stationierte US-Streitkräfte viel deutlicher setzen, und von Deutschland ist eigentlich nichts mehr zu befürchten, nicht einmal eine Allianz mit Rußland. Dieses Vertrauen der Amerikaner ist das Ergebnis einer neuen außenpolitischen Tradition der Unterordnung unter die Staatengemeinschaft, die die Bundesrepublik glaubwürdig begründet hat. So gerne wir auch besetzt waren: Wir sollten diese Tradition feiern und uns nicht über den aus ihr resultierenden Truppenabzug mokieren.


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