© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/04 20. August 2004

Kolumne
Fäulnis
Klaus Hornung

Im sogenannten "Fall Hohmann" hatten die Partei-Oberen offenbar die Hoffnung: "Rausschmiß, Augen zu und durch. Nach wenigen Tagen redet niemand mehr davon!" Die Hoffnung scheint sich nicht zu erfüllen. Noch immer und eher immer lauter grummelt es an der vielzitierten Basis, nicht zuletzt auch in der Jungen Union, wo sich viele als erfreulich moralisch sensibel erwiesen.

Auch und gerade in diesem "Fall" zeigt sich eine wachsende Kluft zwischen Parteivolk und der Oligarchie an der Spitze. Viele Mitglieder sind der Meinung, daß endlich eine Grenze gezogen werden müsse gegen die jahrelangen Versuche, "die unten" für dumm zu verkaufen, sie zu manipulieren und überhaupt in der Politik Unmoral wuchern zu lassen in scheinmoralischer Verkleidung. Das Urteil verstärkt sich, daß nicht Hohmann und seine Verteidiger der Partei geschadet haben, sondern die Oberen selbst. Es war unerträglich, als Edmund Stoiber wie ein Barock-Fürst darüber zu entscheiden beanspruchte, wie und wodurch einer "außerhalb des Verfassungsbogens" stehe.

Es war ein finsterer Anschlag gegen alle Demokratie und Transparenz, als Friede Springer Angela Merkel telefonisch unter Druck setzte und damit einmal mehr demonstrierte, wer in diesem Land wirklich "regiert", nämlich die großen Medien in einer Vormundschaftsdemokratie.

Und beschämend erinnert der Bundesparteitag der CDU an die DDR und andere totalitäre "Vorbilder", als der Vorsitzende Rüttgers einen mutigen Parteitagsdelegierten zusammendonnerte, der für Hohmann Partei ergriff, und sich in der Riesenhalle keine weiteren mutigen Leute fanden, die dem geifernden Vorsitzenden Einhalt geboten hätten. Hier offenbarte sich ein Grad moralischer Fäulnis der Partei, der Entsetzen hervorrufen muß. Goethe hätte bei einem solchen Vorgang gesagt: "Das vergißt sich nicht so leicht!"

Es ist wahrlich an der Zeit, in diesem Land wieder einmal einen anderen Klassiker hervorzuholen: Schillers Freiheitsdrama "Wilhelm Tell" mit seinem "Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht!" Die Oberen haben Ehre und Moral der Partei Konrad Adenauers, Ludwig Erhards und Alfred Dreggers tief verletzt. Das Bundesparteigericht der CDU hat die große Chance, sie mit seinem noch ausstehenden Spruch gegen Martin Hohmanns Parteiausschluß wiederherzustellen. Und dann hätte auch die Fraktion Gelegenheit, die schmachvolle Entscheidung vom November im Interesse ihres eigenen Ansehens zu revidieren.


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