© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/04 20. August 2004

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Bundeswehr: Wie die ehrenwerte Clausewitz-Gesellschaft vor einem kleinen orthodox-kommunistischen Verein einknickt
Jochen Arp

Zwei Vereine gibt es in der Bundesrepublik Deutschland, die sich im Sinne der jeweiligen Bundesregierung und des jeweiligen Verteidigungsministers mit Fragen der Wehr- und Sicherheitspolitik befassen: die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW) sowie die Clausewitz-Gesellschaft. Während in der GfW das Ziel verfolgt wird, "Verständnis zu wecken für die stete Notwendigkeit, den Frieden in Freiheit und die Souveränität Deutschlands zu schützen" sowie "die allgemeine Verteidigungsbereitschaft zu fördern", widmet sich die Clausewitz-Gesellschaft diesen Fragen eher auf wissenschaftlichem Niveau.

In der GfW versammeln sich vorwiegend Offiziere mittlerer und unterer Dienstgrade im und außer Dienst sowie einige an verteidigungspolitischen Themen interessierte Zivilisten, während sich die Clausewitz-Gesellschaft der Generale und Admirale sowie anderer Offiziere annimmt, die im Generalstabs- oder Admiralstabsdienst tätig sind oder waren. In beiden Vereinen, die nach ihren Satzungen frei und unabhängig sind, wird strikt darauf geachtet, daß sie sich in politisch korrekten Bahnen bewegen, keine davon abweichenden Meinungen zulassen und jede Wendung der Verteidigungspolitik bedingungslos mitmachen.

Meinungen dürfen nicht von Generallinie abweichen

Ein außer Dienst befindlicher hoher Offizier der Bundeswehr, der Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Rhonhof, bringt in den letzten Monaten Verwirrung in die Reihen. Schultze-Rhonhof, bis Mitte der neunziger Jahre ein hochangesehener Soldat der Bundeswehr, zuletzt territorialer Befehlshaber für Niedersachsen und Bremen, wagte dann, wegen des "Soldaten sind Mörder"-Urteils Kritik am Bundesverfassungsgericht zu üben, und fand auch wenig freundliche Worte zu der damals beabsichtigten, inzwischen in die Tat umgesetzten Verkürzung der Wehrpflicht. Er könne es nicht verantworten, unzureichend ausgebildete Soldaten in den Einsatz zu schicken, meinte er. Daraufhin mußte er seinen Hut nehmen und ging in Pension.

Hatte Schultze-Rhonhof damals schon auch außerhalb der Bundeswehr erhebliches Aufsehen erregt - ist es doch in den letzten zehn Jahren ganz und gar ungewöhnlich, daß hohe Offiziere eigene Meinungen auch dann vertreten, wenn sie von der Generallinie abweichen -, machte er sich vollends unbeliebt, als er im vorigen Jahr nach jahrelangen Studien unter anderem in in- und ausländischen Archiven sein Buch "1939 - Der Krieg, der viele Väter hatte" (JF 35/03) der Öffentlichkeit vorlegte und darin begründete Zweifel anmeldete, daß allein Deutschland den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verursacht hatte.

Als eine Sektion der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik im Frühjahr dieses Jahres Gerd Schultze-Rhonhof zu einem Vortrag über sein Buch eingeladen hatte, verbot der Bundesgeschäftsführer der GfW das Auftreten des Generalmajors a. D. Er mußte ausgeladen werden, woraufhin eine ganze Sektion des Vereins drohte, sich nach Rücktritt ihres Vorsitzenden aufzulösen (JF 14/04).

Jetzt ist die Clausewitz-Gesellschaft an der Reihe. Ihr Regionalkreis Südwest unter dem Vorsitz des Generals a. D. Odenthal hatte ihre Mitglieder nach Ulm eingeladen zu einer Veranstaltung, auf der Schultze-Rhonhof seine Thesen vortragen und zur Diskussion stellen sollte.

Das paßte der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) nicht. Diese kommunistisch gelenkte Organisation, die bis zum Kollaps der DDR von ihr finanziert wurde und die man alle Jahre wieder im Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums im Kapitel über Linksextremismus findet, veröffentlichte im Internet eine Presseerklärung, in der sie forderte, "daß die Clausewitz-Gesellschaft den Ex-Genaralmajor umgehend wieder auslädt". Denn der "ehemals führende Offizier der Bundeswehr" vertrete in seinem Buch geschichtsrevisionistische Ansichten.

Falls das Präsidium der Clausewitz-Gesellschaft den Vortrag nicht verbiete, sei "die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, bei der die Clausewitz-Gesellschaft ihren Sitz hat, aufgefordert, ihr Verhältnis zur Clausewitz-Gesellschaft zu überprüfen". So die Vorsitzende der kommunistischen Organisation, Cornelia Kerth.

Nur wenige Tage vergingen, bis der Präsident der Clausewitz-Gesellschaft, General a. D. Klaus Reinhardt, zuletzt Befehlshaber Joint Command Centre, Heidelberg, in Absprache mit seinem Vizepräsidenten Generalmajor Hans-Christian Beck, Kommandeur Führungsakademie der Bundeswehr, kurzerhand die Veranstaltung mit Schultze-Rhonhof in Ulm verbot.

Der Vorsitzende des Regionalkreises General a. D. Odenthal dürfte die Welt nicht mehr verstanden haben, gehört es doch laut Satzung zu den Zielen der Clausewitz-Gesellschaft, "am geistigen Leben der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft mitgestaltend teilzunehmen", und zu einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft gehört zweifelsfrei auch die Meinungsfreiheit. Er schmiß verärgert sein Amt hin; ein weiteres Vorstandsmitglied in Südwest, ein Oberst a. D., verließ gar umgehend den Verein und organisierte auf privater Basis die Veranstaltung, auf der Gerd Schultze-Rhonhof inzwischen sprechen konnte. Es ist nicht bekannt, daß einer der Teilnehmer dabei Schaden an Leib oder Seele genommen hätte.

Am vergangenen Wochenende versammelten sich über 300 Mitglieder der Clausewitz-Gesellschaft in der Führungsakademie der Bundeswehr zur 38. Sicherheitspolitischen Informationstagung, die mit der Mitgliederversammlung abschloß. Der Präsident, General Reinhardt, ging auch auf den Maulkorb-Erlaß gegen seinen Generalskameraden Schultze-Rhonhof kurz ein. Er behauptete, sein Verbot habe nichts mit dem Inhalt des Buches Schultze-Rhonhofs über den Beginn des Zweiten Weltkrieges zu tun, sondern sollte lediglich Schaden von der Führungsakademie abwenden, der unweigerlich entstehen würde, wenn die Akademie durch die VVN in die Medien gezerrt wird.

Vermutlich Höllengelächter im Hauptquartier der VVN

Bereits vorher hatte das Präsidium auf Rückfrage Mitgliedern erklärt, es sei der Gesellschaft nichts anderes übriggeblieben, als nach der Drohung des VVN Schultze-Rhonhof auszuladen, weil sonst die Zusammenarbeit zwischen der Clausewitz-Gesellschaft und der Führungsakademie beziehungsweise dem Verteidigungsministerium gefährdet gewesen wäre.

Die in Hamburg versammelten Mitglieder fanden in ihrer großen Mehrheit nichts an dem Verhalten des Präsidenten und seines Stellvertreters auszusetzen. So sei es nun einmal, kommentierte man schulterzuckend das Verbot.

Daß eine hochrangige, der Bundeswehr zumindest nahestehende Institution von Generalstabsoffizieren pariert, wenn eine kommunistische Organisation pfeift, das störte offenbar die Generals- und Admiralsmitglieder der Vereinigung nicht. Daß sie damit bewiesen hat, sie sei erpreßbar, ebensowenig. Man sah im Vorgehen des Präsidenten auch keinen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit, eines der Grundrechte unserer Demokratie. Man paßte sich an, scheute jeden Konflikt und löste vermutlich im Hauptquartier der VVN ein Höllengelächter aus.

Schultze-Rhonhof aber kann sich vor Einladungen, vor privaten Organisationen zu sprechen, kaum retten.

Bundeswehr-Fähnriche: Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Rhonhof bekommt von der Clausewitz-Gesellschaft ein Redeverbot aufgebrummt

Gerd Schultze-Rhonhof (Foto)


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