© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/04 17. September 2004

CD: Roc
Altbewährtes
Holger Stürenburg

Mit der kanadisch/britischen Rockband Saga verhält es sich ähnlich wie bei dem einstigen Prestigeobjekt eines weltbekannten Automobilherstellers aus Wolfsburg: Sie läuft ... und läuft ... und läuft ... Über 25 Jahre sind Frontmann Michael Sadler und seine Begleiter bereits unterwegs; 16 Alben und zwei DVDs gehen auf ihr Konto. In den frühen achtziger Jahren zählte Saga insbesondere in Deutschland zu den beliebtesten, aber auch polarisierendsten Bands. "Noch langweiliger als das Fernsehtestbild", lautete etwa die Bewertung ihres 85er-Albums "Behaviour" durch das Hamburger Stadtmagazin Oxmox. Doch der mit einer Deutschen verheiratete Wahl-Saarländer Sadler ließ sich von solcher Polemik niemals beirren. Er und seine Band blieben ihrem Stil mit einer Bärbeißigkeit und Konsequenz treu, die im schnellebigen Rockbusiness ihresgleichen sucht.

"Keine Experimente" - Adenauers Wahlspruch von 1957 könnte man auch der fünfköpfigen Truppe zuordnen. Zwar verunsicherten Saga Mitte der 1990er auf den so unausgegorenen wie unnötigen Alben "Generation 13" und "Pleasure and Pain" ihre Fans mit peinlichen Möchtegern-Modernisierungen. Doch gerieten derartige Versuche spätestens seit 1999 und ihrem grandiosen Comebackalbum "Full Circle" gottlob schnell in Vergessenheit.
Nachdem in diesem Frühjahr die äußerst empfehlenswerte DVD "Access all Areas - Live in Bonn 2002" erschien, folgt nun am 20. September Saga-Album Numero 17. "Network" (SPV) heißt das Werk, das sich textlich mit der Belanglosigkeit, Sensationsgier und Dekadenz der sich immer schneller drehenden Medienwelt auseinandersetzt. "Manche Fernsehprogramme", erzählt Keyboarder Jim Crichton, "haben offenbar nur den Sinn und Zweck, die Menschen vor dem TV-Gerät zu schockieren; koste es, was es wolle."

In musikalischer Hinsicht zeigen sich Saga bodenständig, die zehn Songs bieten genau das, wofür die Band seit jeher steht: breitflächige Keyboard- und Synthiteppiche, ein abgehacktes, rhythmusbetontes, aber zugleich melodisches Gitarrenspiel und Sadlers kraftvolles Organ, das stets etwas gehetzt, nervös, aufgewühlt wirkt, aber - wie die Ballade "If I were you" beweist - auch ungewohnt einschmeichelnde Akzente zu setzen vermag. Der diesmal besonders kompakte Klang dürfte dem Neuzugang Christian Simpson zu verdanken sein, der Steve Negus für unbestimmte Zeit ersetzt, da sich der Gründungs-Schlagzeuger einer kreativen Erholungsphase verschrieben hat.

Wie eh und je gelingt es Sadler auch 2004, in der Intonation und Ausdrucksform seiner Stimme alle Facetten des treibenden Großstadtlebens aufzumalen. Der Eröffner "On the Air" vermittelt die brodelnde Unruhe einer nicht enden wollenden Nacht in einer niemals zur Ruhe kommenden Metropole; Hetze, Klaustrophobie und siedende Nervosität vermutet man hinter dem Hardrocker "Keep it Reel", dessen gitarrenbetontes Arrangement eines der "lautesten" auf "Network" darstellt; dramatisch, beinahe opernarienhaft, zeigt sich die zurückhaltende und doch überaus emotionale Rockballade "Outside looking in"; "Don't look now" wird plötzlich von einem einlullenden Piano unterbrochen, bevor wiederum krachende Gitarrenwälle alles zu überfluten scheinen. Und so geht es Stück für Stück weiter auf "Network". Das aufwühlende, an Marillion-Rocker der Sorte "Assassing" oder "Incommunicado" erinnernde, über sechsminütige Artrock-Epos "Don't make a Sound" beendet ein mit knapp 50 Minuten Spielzeit leider recht kurz geratenes, ansonsten aber punktgenau Herz und Bauch treffendes Rockalbum. Oder um es mit einem anderen Werbespruch derselben Autofirma zu sagen: Saga - da weiß man, was man hat!


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