© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/04 17. September 2004

Meldungen

Die Ausgrenzungsmacht deutscher Leitkultur

MÜNCHEN. Darf der Staat eine Leitkultur fördern? Er darf es schon, antwortet Matthias Zimmer, aber in Deutschland mache der Staat auf einem zentralen Feld der "Identitätspolitik", der Religionsausübung, davon immer weniger Gebrauch (Politische Studien, Heft 396/04). Hierzulande würden Kirche und Staat zunehmend voneinander getrennt. Deshalb verschwänden Kruzifixe aus Klassenräumen und Gerichtsgebäuden. Das Ende der staatlichen Neutralität sei jedoch dort erreicht, wo - wie im Streit um das Kopftuch - der "normative Horizont des Grundgesetzes" (GG) berührt werde. Denn dieser Kern bundesdeutscher Leitkultur dürfe nie zur Disposition stehen. Die Toleranz gegenüber Minderheiten und deren Anspruch auf alternative Identitätsbildung finde seine Schranke in der freiheitlichen und demokratischen Gesellschaftsordnung. Das Bekenntnis zu den im GG fixierten Wertvorstellungen gewinne dann sogar "exklusiven Charakter", da es nun einmal Lebensformen gebe, die mit diesem unvereinbar seien. Unterhalb dieser Exklusionen könne "Multikulturalität" dann funktionieren, wenn die Leitkultur-Gesellschaft sie als "Bereicherung" dulde.

 

Tresckow: 1941 noch ohne moralische Skrupel

MÜNCHEN. Fast pünktlich hat die Redaktion der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte ihr Scherflein zum 60. Jahrestag des 20. Juli beigeragen. Das Heft 3/04 enthält neben einer umfassenden biographischen Studie über Hans-Alexander von Voß, einen "Offizier im Widerstand", ein Referat der deutsch-britischen Debatten über Adam von Trott zu Solz, der den Engländern immer noch als ein Mann mit NS-Schlagseite erscheint. Noch weiter ins Zwielicht taucht das Bild des militärischen Widerstands. Einmal mehr wird das Verhältnis thematisiert, das Henning von Tresckow und seine Freunde in der Heeresgruppe Mitte zu "Vernichtungskrieg und Judenmord" hatten. Johannes Hürter publiziert dazu neue Dokumente aus dem Sommer 1941. Mit seiner Bewertung hält er dabei nicht hinter dem Berg: Die Offiziere des Heeresgruppenkommandos Mitte seien frühzeitig und in bisher unbekanntem Umfang "über die Massenmorde der SS und Polizei in ihrem Befehlsbereich unterrichtet" gewesen. Ein "rassistisches Überlegenheitsgefühl" habe ebenso dazu beigetragen wie ihre "antisemitische Haltung", daß ihnen moralische Bedenken zu dieser Zeit nicht gekommen seien.

 

Traumareale im Gehirn entdeckt

BERLIN. Träume entstehen im hinteren Hirnlappen. Darauf deuten Untersuchungen von Claudio Bassetti von der Universitätsklinik Zürich hin. Der Neurologe behandelte eine 73jährige Schlaganfallpatientin, die infolge einer Mangeldurchblutung im Gehirn im Bereich des rechten unteren lingualen Gyrus nicht mehr träumte, ansonsten aber nur geringfügige neurologische Ausfälle zeigte (Annals of Neurology). Die kurz nach dem Hirninfarkt auftretenden Probleme bei der Verarbeitung visueller Reize verschwanden schnell wieder. Doch die Patientin bemerkte danach, daß sie aufgehört hatte zu träumen. Sechs Wochen lang studierte man daraufhin ihre Gehirnaktivitäten, wobei jedoch keinerlei Störungen der natürlichen Schlafzyklen auffielen. Auch die REM-Phase, während der die meisten Träume auftreten, erschien vollkommen normal. Bassetti folgerte, daß überraschenderweise getrennte Hirnareale für REM-Phase und Träume verantwortlich sind.

 

Erste Sätze

Um zwei Uhr morgens wird er auf einem Brett in die Tuilerien getragen.

Friedrich Sieburg: Robespierre, Frankfurt am Main 1935


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