© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/04 24. September 2004

Zeitschriftenkritik: Ästhetik und Kommunikation
Kulturgut Kino
Werner Olles

"Ästhetische Erziehung im Medienzeitalter" lautet das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Ästhetik und Kommunikation. Einstmals von Schiller entworfen, sei ästhetische Erziehung heute nahezu von der Bildfläche verschwunden, heißt es im Editorial. Vor allem seit die Kunst in den achtziger Jahren ihr eigenes System von Vermittlungsstrategien und Diskussionsformen ausgebaut habe, sei sie auch innerhalb der Kunstsysteme nicht mehr gelitten. Inzwischen versuche man an den Universitäten, die Ausbildung der Kunstlehrer an dem speziell dafür kreierten Begriff der "Ästhetischen Bildung" zu orientieren, da dieser den Kultusbürokraten weniger angreifbar erscheine.

Das Heft versammelt acht Beiträge, die sich, angeregt von den aktuellen Diskussionen, mit dem Themenkomplex Kino und Schule auseinandersetzen. Die Perspektiven einer ästhetischen Erziehung im Medienzeitalter und die Frage, ob Film und Kino Gegenstand des Kunstunterrichts werden sollen, werden dabei in sehr unterschiedlichen Überlegungen nicht isoliert betrachtet, sondern vor allem in Hinblick auf Kunst und Neue Medien auch nach ihren pädagogischen Potentialen befragt. Neben einer philosophischen und historischen Bestandsaufnahme des Themas Kino und Schule werden die unterschiedlichen Filmtypen rekonstruiert, die in den fünfziger und sechziger Jahren im Schulunterricht eingesetzt wurden, und an der Frage der Gewaltdarstellung das komplizierte Verhältnis von Kunstanspruch und Zensurmaßnahmen nachgezeichnet und untersucht. Ein weiterer Text befaßt sich mit der Problematik, wie man auch von einem Blockbuster-Kinofilm - nämlich dem Action-Streifen "Speed" (1994) - lernen kann, sich die Ordnung unserer modernen und postmodernen kulturellen Räume zu erschließen.

In seinem Aufsatz "Der Kinematograph als Zeigestock" beschreibt Winfried Pauleit das in jüngster Zeit veränderte Verhältnis von Kino und Schule. Wahrscheinlich habe es nur eines Jahrhundertwechsels bedurft, der es nun erlaube, neben Theater, Malerei und Literatur auch das Kino zu den alten Künsten zu zählen. Überall in Europa würden derzeit große Anstrengungen unternommen, Film und Kino als schützenswertes Kulturgut nicht nur zu musealisieren, sondern auch in die schulischen Lehrpläne aufzunehmen. Die bundesweite Initiative "Lernort Kino" mit ihren Schulfilmwochen sei bereits in mehreren Bundesländern erfolgreich durgeführt worden. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung habe unter dem Stichwort "Kino macht Schule" kürzlich einen Kongreß veranstaltet und zudem gemeinsam mit einer Gruppe von Fachleuten einen Filmkanon der 35 unverzichtbaren Filme erstellt, die es nun zukünftig im Schulunterricht an der einen oder anderen Stelle vorzustellen und zu verhandeln gelte.

Inwieweit allerdings eine derartige Intellektualisierung und Versachlichung jener Magie der bewegten Bilder und der versunkenen Kinowelt - als das Kino noch der Ort war, von dem aus man zu Expeditionen ins Unbekannte aufbrach - überhaupt gerecht werden kann, bleibt dabei offen.

Anschrift: Wassergasse 5, 10179 Berlin. Das Einzelheft kostet 11 Euro, das Jahresabo 39 Euro. Internet: www.prkolleg.com/aestehtik/ 


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