© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/04 24. September 2004

Kampf gegen die Moderne
Der erste Prosa-Band des kolumbianischen Philosophen Nicolás Gómez Dávila
Georg Alois Oblinger

Die literarischen und philosophischen Lexika verschweigen seinen Namen; doch in politisch und religiös konservativen Kreisen gilt der kolumbianische Nonkonformist Nicolás Gómez Dávila als Geheimtip. Er wurde am 18. Mai 1913 in Bogotá geboren und verstarb ebendort am 17. Mai 1994. Den größten Teil seines Lebens verbrachte Gómez Dávila in seiner außergewöhnlichen Bibliothek, wo er ein Leben ohne Reisen, ohne Fernsehen und ohne Tageszeitungen führte und sich - außer seiner Frau, seinen drei Töchtern und einer Handvoll Freunden - ganz dem Studium und dem Denken hingab.

Frucht dieses Denkens sind mehrere tausend Aphorismen, die der Karolinger Verlag in Wien in drei Bänden herausgebracht hat: "Einsamkeiten", "Auf verlorenem Posten" und "Aufzeichnungen des Besiegten". Dort erschien auch erstmals in deutscher Sprache ein Band mit Prosa-Texten von Gómez Dávila. Er trägt den Titel "Texte und andere Aufsätze" und enthält Essays aus verschiedenen Schaffensphasen des Philosophen.

Den Anfang bildet die Essaysammlung "Texte" (1959), in der der Kolumbianer mit Verve das letzte Tabu der modernen Welt bricht: Er kritisiert die Demokratie. Sie werde dann gefährlich, wenn sie zum einzigen Superdogma des Menschen wird, wenn nicht mehr nach Wahrheit und Irrtum, sondern nur noch nach aktuellen Mehrheitsverhältnissen gefragt wird. Für den gläubigen Katholiken Gómez Dávila entsteht dann eine Rivalität zwischen der absoluten Demokratie und dem Gottesglauben: "Die erste und selbstverständlichste der demokratischen Ideologien ist ihr pathetischer Atheismus. Die Demokratie ist nicht atheistisch, weil sie die Irrealität Gottes festgestellt hätte, sondern weil sie unbedingt nötig hat, daß es Gott nicht gebe."

Im Aufsatz "De jure" (1988) beschäftigt sich Gómez Dávila dann mit dem Themenkreis Recht, Gerechtigkeit und Staat. In streng logischen Gedankengängen zeigt er die Grenzen jedes staatlichen Rechts auf und verweist auf ein höher stehendes, ewig geltendes göttliches Recht.

Der letzte Aufsatz ist betitelt "Der authentische Reaktionär" (1995) und wurde auch im Original erst postum veröffentlicht. Als Reaktionär hat sich Gómez Dávila zeitlebens immer selbst bezeichnet und mit dieser nicht unbedingt trendbewußten Verortung seine Mitmenschen schockiert. Die Moderne ist für ihn grundsätzlich ein Übel, das er heftig attackiert, angesichts dessen er aber dennoch nicht verzweifelt, sondern es als gegeben hinnimmt. Diesen Standpunkt begründet der Philosoph in besagtem Aufsatz, den man daher auch eine Selbstreflexion nennen könnte.

Gómez Dávila wollte nie für die Masse schreiben, immer nur für den erlesenen Kreis seiner Freunde. "Was ein Reaktionär sagt, kümmert niemand. Nicht wenn er es sagt, da scheint es absurd. Nicht nach ein paar Jahren, da ist es bereits augenfällig." So sind sowohl die Aphorismen als auch seine jetzt vorliegenden Prosa-Texte zunächst lediglich als Privatdruck in geringer Auflage erschienen. Lange Zeit blieb er, dem man in seiner Heimat vergeblich mehrfach hohe politische Ämter anbot, außerhalb Kolumbiens nahezu unbekannt. Erst in seinen letzten Lebensjahren wurde man in Europa auf ihn aufmerksam. In Deutschland reicht die Schar seiner Bewunderer von Gerd-Klaus Kaltenbrunner über Erik von Kuehnelt-Leddihn und Martin Mosebach bis Botho Strauß. Letzterer schreibt über Gómez Dávila: "Ich möchte doch, daß diese eine und einzige Stimme, einzige und überzeugende der scharfsinnigen Gläubigkeit und Gegenmoderne in unseren Tagen gehört wird. Man wird zusehends spüren, welche Anziehungskraft von einem Denken ausgeht, das in seinem dichtesten Kern aus Unbefragbarkeit und aus Frommheit besteht."

Zur Einführung in das Werk des Kolumbianers eignet sich gut "Nicolás Gómez Dávila. Parteigänger verlorener Sachen" (Edition Antaios 2003) von Till Kinzel, dem Mitübersetzer der Prosa-Texte. Dennoch bleibt der Leser aufgefordert, den unkonventionellen Denker unbedingt auch im Original zu lesen, gemäß dessen Worten: "Statt den Autor selbst liest man heutzutage lieber das idiotische Buch, das über ihn geschrieben wurde." 

Nicolás Gómez Dávila: Texte und andere Aufsätze. Karolinger Verlag, Wien 2003, gebunden, 200 Seiten, 26 Euro


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