© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/04 08. Oktober 2004

Stadt, Land, Bett
Kino I: "Der Typ vom Grab nebenan" von Kjell Sundvall
Claus-M. Wolfschlag

Desiree Wallin (Elisabet Carlsson) ist erst knapp über dreißig, doch seit dem frühen Unfalltod ihres Mannes kennt sie kein Sexualleben mehr. Die Tage verbringt sie bei ihrer Arbeit als Bibliothekarin oder mit Abstechern zu ihrer senilen Mutter im Altersheim. Die Abende finden gelegentlich im geselligen Kreis ihrer intellektuellen Freunde statt, meistens aber nur bei einem einsamen Espresso in ihrer stilvoll eingerichteten und gepflegten Stadtwohnung.

Bei einem Friedhofsbesuch trifft Desiree Benny Söderström (Michael Nyquist), der das Grab seiner Eltern besucht. Benny, ebenfalls Single im besten Alter, ergreift die Gelegenheit, beide lernen sich kennen und fangen im Eiltempo eine Affäre miteinander an. Ernüchterung stellt sich bei Desiree ein, als sie das erste Mal Bennys Heim aufsucht. Benny nämlich ist Landwirt und betreut auf seinem Hof 24 Milchkühe. Die Jauchegrube, der Schlamm und Dreck, die seit Jahrzehnten nicht modernisierte Wohnstube, die derben Nachbarn - Desiree ist geschockt.

Kjell Sundvalls Streifen beruht auf Katarina Mazettis Bestseller "Grabben i graven bredvid" von 1998. In seinem Herkunftsland Schweden fand der seichte Liebesstoff ein großes Kinopublikum. Dabei gehört Sundvalls Streifen eher zur harmlosen Kost des skandinavischen Kinos der Gegenwart. Er spielt mit den seit Shakespeares "Romeo und Julia" im Genre beliebten Antipoden bei zueinander findenden Paaren. Der eine weißer Hautfarbe, der andere schwarz, der eine reich, der andere bettelarm - es mag noch viele andere solcher Paarungen geben, die als Beleg für Sprichworte wie "Gegensätze ziehen sich an" oder "Wo die Liebe hinfällt ..." herhalten sollen.

Bei Desiree und Benny ist es der Kontrast zwischen der modernen, belesenen Großstädterin und dem leicht verwahrlosten, der Scholle verbundenen Bauern, der die Partnerschaft belastet. Die unterschiedlichen Lebensentwürfe werden verstärkt durch die verschiedenen Bekanntenkreise der beiden, die sich mit der Akzeptanz der Partnerwahl schwertun. Machen sich die kunstsinnigen Großstädter über die schlichte Art des Landwirts lustig, so hegen die Bauern tiefsitzende Vorurteile gegen die fremde Städterin.

Und so ist die Liebe gezwungen, Umwege zu gehen, um sich letztlich doch nur der einen Frage zu stellen: Können Desiree und Benny trotzdem zueinander finden oder nicht?


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