© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/04 08. Oktober 2004

Von der Liebhaberei zur Institution
Der Wiener KarolingerVerlag wird 25 Jahre alt
Jakob Apfelböck

Es gibt Leser, die von den Büchern angenommen werden, und Leser, die von ihnen zurückgewiesen werden." Verlage, die dieser Sentenz des kolumbianischen Philosophen Nicolás Gómez Dávila (1913-1994) in der Gestaltung ihres Programms den Vorzug vor einer Berechnung der Absatzchancen geben, gehören sicherlich nicht zu den attraktivsten Anlageobjekten. Im Sortiment der Hugendubels dieser Welt sind sie eher unterrepräsentiert. Auf der Frankfurter Buchmesse und darüber hinaus stellen sie jedoch Oasen für jene dar, deren Interesse sich nicht allein auf Druckerzeugnisse richtet, die irgendwelche Konsumbedürfnisse im Rahmen der Gestaltung von Arbeit und Freizeit zu befriedigen haben.

Der Wiener Karolinger-Verlag ist in diesem despektierlich als "Nische" und technokratisch als "Special Interest" bezeichneten Mikrokosmos unterdessen so etwas wie eine Institution geworden. 25 Jahre ist er "am Markt" - das ist für einen Verlag, der sich der Geistesgeschichte aus der Vogelperspektive annimmt, zwar keine nennenswerte Zeitspanne, für eine Unternehmung, die über die steuerrechtliche Würdigung hinaus grundsätzlich eine Liebhaberei darstellt, mehr als nur respektabel.

Daher störte es nicht, daß die Feier, die diesem Jubiläum im Frankfurter Literaturhaus gewidmet war, vor einem Massenauftrieb oder einer stürmischen Resonanz im Feuilleton bewahrt blieb. Verleger Peter Weiß gönnte es sich vielmehr, bevor er Günter Maschke und Martin Mosebach als Vertreter der im Gesamtkatalog rar gesäten Species lebender Autoren zu Wort kommen ließ, in einem kursorischen Rückblick hervorzuheben, daß sich das Programm nicht nach einem stringenten Plan entwickelt habe, durch "Reihen" quasi strategisch Themen zu besetzen, es vielmehr durch die subjektiven Neigungen jener geprägt sei, die qua Freundschaftsband an ihm mitzuwirken berufen sind. Herausgekommen ist dabei in 25 Jahren Geschichte ein Katalog, der aufgrund personeller Kontinuitäten gewisse Schwerpunkte doch nicht verhehlen kann - osteuropäische Themen zum Beispiel oder Militärgeschichte und Militärtheorie sowie, Maschkes Handschrift ist hier unverkennbar, Carl Schmitt.

"Die reaktionären Texte scheinen den Zeitgenossen obsolet und sind von überraschender Aktualität für die Nachwelt": Die Konsequenz aus diesem Aphorismus Dávilas hat der Karolinger Verlag mit seiner "Bibliothek der Reaction" gezogen, durch die Texte von Joseph de Maistre, Juan Donoso Cortés, Ernst von Lasaulx, Carl Ludwig von Haller und manch anderen wieder zugänglich wurden. Schließlich hat er sich exklusiv des Werkes von Dávila angenommen - und paradoxerweise mit diesem die breiteste Beachtung gefunden.

Mokante Zwischenrufe, er publiziere antidemokratische Autoren, sind dem Verlag nicht erspart geblieben. Sie dürften auszuhalten sein. Die Demokratie ist eine eher junge Erfindung der Geistesgeschichte, für viele der verlegten "toten Autoren" war sie noch nicht als etwas erlebbar, das kein Hinterfragen gestattet. Ernst zu nehmen sind solche Einwände heute also nicht. Vielleicht sollte man sich in 250 Jahren noch einmal darüber unterhalten.

Karolinger-Verlag: Kutschkergasse 12/7, A-1180 Wien, Telefon und Fax: 00 43 / 1 / 4 09 22 79


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