© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/04 22. Oktober 2004

Vor schönen Kulissen
Kino: "Die Bourne-Verschwörung" von Paul Greengrass
Werner Olles

Verschwörer, Verschwörungen und Verschwörungstheoretiker haben seit dem 11. September 2001 weltweit Hochkonjunktur. Da war es nur eine Frage der Zeit bis auch Hollywood auf diesen lukrativen Zug aufspringen würde. Allerdings hat "Die Bourne-Verschwörung" nichts mit islamistischen Bombenlegern oder Selbstmordattentätern am Hut, sondern ist eine Fortsetzung des Erfolgsfilms "Die Bourne-Identität" von 2002 unter neuer Regie.

Damals hatte Doug Liman die Geschichte des CIA-Auftragskillers Jason Bourne inszeniert, der von seinen eigenen Leuten gejagt wird. Immerhin trug der Streifen nicht unerheblich dazu bei, das ziemlich angeknackste Image des Agentenfilm-Genres wieder ein wenig zu verbessern. Und sein Hauptdarsteller Matt Damon konnte dank Limans bodenständiger Regie in einigen Szenen beweisen, daß er auch in einer klassischen Agentenstory ohne großen Tiefgang eine gute Figur macht.

Mit Paul Greengrass ("Bloody Sunday") hat sich nun ein Regisseur des zweiten Teils der Thriller-Trilogie des Bestsellerautors Robert Ludlum angenommen, der leider nicht im Traum daran denkt, Action-Szenen so bewußt und vor allem dosiert einzusetzen, daß sie wirklich noch etwas Besonderes sind.

Auch die Schnitte sind diesmal viel schneller, was der ohnehin wenig eingängigen Geschichte nicht allzu guttut. Die Besetzung ist dagegen nahezu identisch, nur Joan Allen als Bournes CIA-Gegenspielerin und Chefin der Spezialeinheit, die um jeden Preis seinen Kopf will, ist ein Neuzugang. Franka Potente säuft jedoch in der Rolle von Jasons Freundin Marie St. Jacqués bereits nach einer Viertelstunde im wahrsten Sinne des Wortes ab, und man vermißt sie seltsamerweise dann auch im weiteren Verlauf des Films nicht mehr.

Bourne, der nach den schönen Tagen mit Marie am Strand von Goa nun wieder auf der Flucht vor seinen unbekannten Häschern ist, schlägt sich von Indien nach Neapel, Wien, Amsterdam und Berlin und schließlich bis nach Moskau durch, um in der russischen Metropole seine letzte Mission zu erfüllen: Die Auftraggeber des auf ihn angesetzten Killers herauszufinden, den Mord an seiner Freundin zu rächen und endlich zu erfahren, wer und vor allem warum man ihm immer noch nach dem Leben trachtet ...

"Die Bourne-Verschwörung" bietet Aktionismus pur, mehr aber auch nicht. Greengrass' Versuche, die Zuschauer mit rasanten Schnitten und wackeligem Handkamera-Realismus direkt ins Geschehen hineinzuziehen, können nicht übertünchen, daß hier eine nur leidlich spannende Geschichte mit vielen waghalsigen Stunts vor berauschend schönen und abwechslungsreichen Kulissen abläuft.

Der auf der Suche nach seiner wahren Identität zwischen den Fronten der internationalen Geheimdienste agierende Bourne ist zwar ein eiskalter, fintenreicher Profi, gegen den so leicht kein Kraut gewachsen ist. Doch wenn die Regie nicht in der Lage ist, spektakuläre Action-Arrangements und Kolportage zu einem wirkungsvollen Polit-Thriller zusammenzufügen, nutzt das alles nur wenig. Wenn die Sprache des Genres zum Slapstick verkommt, und die gestalterischen Schwächen offenbar werden, sind die Möglichkeiten der Entwicklung eines präzisen psychologischen Porträts denkbar gering.

Vorbei sind offenbar die goldenen Zeiten, als der elegante Superagent 007 mit der Aura des Unbesiegbaren und dem unausrottbaren Hang zu schottischem Whisky und schönen Frauen mit seinem Einfallsreichtum und seinem Humor die Kinogänger magisch in seinen Bann zog. Vorbei ist auch die Ära des müden, zynischen Leamas, John le Carrés "Spion, der aus der Kälte kam". War Leamas der erste definitive Anti-Held des Genres, so war Ian Flemings versnobt-viriler James Bond der ironische Meta-Held des Kalten Krieges.

Wer oder was aber ist Jason Bourne? Um das herauszufinden, bleibt wohl nichts anderes übrig, als auf den dritten Teil, "Das Bourne-Ultimatum", zu hoffen, der uns mit ziemlicher Sicherheit in zwei Jahren wieder vor die Leinwand locken wird. Und vielleicht sind wir ja bis dahin ähnlich enttäuschungsfest und schmerzfrei wie der arme, geplagte Jason Bourne.

Foto: Jason Bourne (M. Damon), Marie St.Jacqués (F. Potente)


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