© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/04 05. November 2004

Großangriff auf die Familie
Lebenspartnerschaftsgesetz: Künftig dürfen Homosexuelle Kinder adoptieren / Kein nennenswerter Widerstand aus den Reihen der Union
Josef Hämmerling

Rot-Grün macht bei der Umgestaltung der Gesellschaft immer weitere Fortschritte. Und diesmal wurden sie sogar noch von der FDP unterstützt. Die Rede ist von der immer weitergehenden Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit Ehen zwischen Männer und Frauen. Am 29. Oktober wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP die Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes beschlossen. Dieses Gesetz trat in seiner ersten Fassung am 1. August 2001 in Kraft und sieht die Besser- bzw. Gleichstellung von schwulen und lesbischen Partnerschaften in vielen Bereichen des Lebens vor, so unter anderem im Erb- und Krankenrecht sowie bei der Führung eines gemeinsamen Namens.

Gegen dieses Gesetz war von den Ländern Sachsen, Thüringen und Bayern eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht erhoben worden. Das Gericht hat sie mit einem Urteil vom 17. Juli 2002 jedoch zurückgewiesen und festgestellt, daß der nach Artikel 6 Grundgesetz gebotene Schutz von Ehe und Familie dem Gesetz nicht entgegensteht.

Die jetzt beschlossene Ergänzung stellt aber einen Großangriff gegen eben diesen Artikel 6 dar. Dies gilt besonders für die sogenannte Stiefkind-Adoption, an der sich seit Monaten die Gemüter erregt hatten. So erlaubt das "Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts" Homosexuellen, die leiblichen Kinder ihres Lebenspartners zu adoptieren. Allerdings muß der andere leibliche Elternteil dieser Adoption zustimmen.

Doch das war noch nicht alles: Nach Trennung der Lebenspartnerschaft hat der finanziell schlechter Stehende einen Unterhaltsanspruch. Zudem werden eingetragene Homo-Paare nunmehr in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen. Miteinander verlobte Lesben oder Schwule können nun bei Nichteinhaltung des Eheversprechens ebenfalls zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Darüber hinaus wird ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt.

Trotz all dieser Punkte, die eine deutliche Aufweichung des grundgesetzlichen Schutzes der Ehe darstellen, wird das nunmehr beschlossene Ergänzungsgesetz ohne Verzögerung in Kraft treten können. CDU und CSU verzichten auf eine eigentlich geplante Verfassungsbeschwerde gegen die Stiefkindadoption. Obwohl die Union das Gesetz nach wie vor für "verfassungsrechtlich, hochproblematisch und gesellschaftspolitisch falsch" halte, werde man nicht nach Karlsruhe gehen, sagte der CDU-Rechtspolitiker Norbert Röttgen der Welt.

"Ein Schritt in die richtige Richtung"

Dabei sind sich auch CDU und CSU darüber im klaren, daß die SPD, die Grünen und auch die FDP selbst diese Lösung noch als zu wenig erachten. So kündigte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) bereits an, dieses sei nur der erste Weg zu einem uneingeschränkten Adoptionsrecht homosexueller Lebenspartner.

Hauptstreitpunkt des Ergänzungsgesetzes für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften war die Stiefkind-Adoption. Für die CSU lehnte Daniela Raab diese Regelung ab, da ein leiblicher Elternteil alle Rechte und Pflichten abtrete. Zudem bestehe die Gefahr einer Diskriminierung dieser Kinder durch Altersgenossen. Die CDU-Abgeordnete Ute Granold bemängelte, daß die Rechte Homosexueller auf Selbstverwirklichung höher bewertet würden als das Recht der Kinder auf Vater und Mutter. Und der Bundesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Thomas Rachel, kritisierte, daß bei dem neuen Adoptionsrecht nicht mehr das Wohl der Kinder im Mittelpunkt stehe, sondern vielmehr das Interesse der Erwachsenen. Dies sei aber ein Rückschritt in die siebziger Jahre.

Die Befürworter der neuen Regelung verneinen diese Argumente. Nach Meinung des FDP-Politikers Jörg von Essen ist das Gesetz trotz der nach wie vor vielen vorhandenen Ungleichheiten "ein Schritt in die richtige Richtung". Allerdings gingen die Bestimmungen für die Stiefkind-Adoption noch nicht weit genug.

Neben von Essen begrüßte auch die Parlamentarische Geschäftsführerin und frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, die beschlossene Neuregelung. So habe das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 "die Akzeptanz von Lesben und Schwulen in der Gesellschaft spürbar verstärkt". Das zeige sich u.a. auch daran, daß die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft "heute im Bundestag (eine) breitere Mehrheit findet als in der vergangenen Wahlperiode". Da Lebenspartner gleiche Pflichten wie Ehegatten hätten, sei es nur gerecht, wenn man ihnen auch die gleichen Rechte gebe, wie etwa jetzt bei der Stiefkind-Adoption.

Unklarheit herrscht darüber, wie viele Kinder hiervon betroffen sein werden. Nach Angaben von Zypries leben derzeit 8.300 Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sprach unter Verweis auf aktuellere Daten des Mikrozensus von 13.020 betroffenen Kindern. Das Statistische Bundesamt geht aber sogar von über 30.000 Kindern aus. Man kann sich nur noch wundern, wie ein Gesetz verabschiedet werden kann, wenn sich die hierfür maßgeblichen Politiker noch nicht einmal darüber im klaren sind, wie viele Menschen von ihm betroffen sind.


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