© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/04 03. Dezember 2004

Geert Wilders
Der Rebell
von Jerker Spits

Schon seit vielen Jahren führt der 41jährige niederländische Parlamentsabgeordnete Geert Wilders einen einsamen Kampf gegen die Gefahr des Islamismus. Seine Reisen nach Israel und in den Mittleren Osten sensibilisierten ihn für die Bedrohung durch den radikalen Islam. Mitte der neunziger Jahre gehörte Wilders zu dem kleinen Kreis der sogenannten "Bolkestein-Schüler", einer parteiinternen Elite der regierenden rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD). Doch als der ebenfalls islamkritische Frits Bolkestein 1998 nach Brüssel ging, drohte Wilders' Karriere unter dem linksliberal orientierten Nachfolger Hans Dijkstal vorschnell zu enden. Kritik an der multikulturellen Gesellschaft und am Islam war seit Bolkesteins Abgang tabu - Wilders wurde mundtot gemacht.

Doch nach dem Mord an Pim Fortuyn und der Parlamentswahl 2002 sah die VVD den Fehler ein und versuchte, rechte Wähler stärker an sich zu binden. Der neue Fraktionsvorsitzende Jozias van Aartsen unterstützte Wilders - bis er ihn nach anhaltendem Druck aus der Fraktion fallenließ: Weil er einen EU-Beitritt der Türkei ablehnte und sich außerdem nach Ansicht vieler Kollegen zu sehr bei Medienauftritten profilierte, wurde der "rebellische Rechte" im September aus der Fraktion ausgeschlossen.

Zuvor hatte Wilders ein "Zehnpunkteprogramm" vorgelegt, das die VVD zu einer klar rechtsgerichteten Partei machen sollte. Wilders sprach sich darin für eine stärkere Bekämpfung des islamischen Terrorismus aus und plädierte für eine law-und-order-Politik nach amerikanischem Vorbild. Seit seinem Ausschluß arbeitet Wilders am Aufbau einer eigenen Partei. Dafür hat er auch den bekannten niederländischen Konservativen Bart Jan Spruyt (Interview JF 20/03) zu Rate gezogen. Spruyt hat mehrmals seine Sympathie für Wilders bezeugt und betrachtet ihn als großen Hoffnungsträger der niederländischen Rechten.

Doch Wilders' Mut hat seinen Preis: Wie die liberale Politikerin Ayaan Hirsi Ali, die für den Filmemacher Theo van Gogh das Drehbuch zu "Submission" schrieb, jenem Film, der Van Gogh zum Verhängnis wurde, wird Wilders rund um die Uhr bewacht. Seit dem Mord an dem Regisseur übernachtet Wilders in Kasernen und wechselt mehrmals täglich seinen Aufenthaltsort.

Laut Umfragen darf die "Gruppe Wilders" - so der Name der vorläufig als Einmannfraktion im Parlament operierenden Partei - auf über zehn (etwa acht Prozent), eventuell sogar auf bis zu 23 Sitze bei den Wahlen 2006 hoffen, sollte die Regierung so lange halten. Kein Wunder, daß immer mehr VVD-Prominente sich um den Aufstieg der Gruppe Wilders Sorgen machen und es mittlerweile als großen Fehler betrachten, Wilders ausgeschlossen zu haben. In einer Zeit, in der die Wähler sich enttäuscht von den alten Parteien abwenden, kann ein Politiker, der sogar den Tod riskiert, auf viel Beifall rechnen.


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