© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/04 03. Dezember 2004

Angst vor der Rache aus Ankara
Zypern: Ein Veto gegen den EU-Beitritt der Türkei wird es trotz diverser Drohungen wohl nicht geben / Ungeregelte Entschädigungs- und Eigentumsfragen
Gregor M. Manousakis

Ein Veto gegen den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist eine zu große Sache für ein kleines Land wie Zypern." Dieser Satz gehört zu den typischen Äußerungen des griechischen Präsidenten von Zypern, Tassos Papadopoulos. Zugleich weist der 70jährige Politprofi jedoch darauf hin, daß sein Land am 17. Dezember nicht für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stimmen kann, ohne daß zuvor die Republik Zypern durch Ankara anerkannt wurde.

Das ist das mindeste, jedoch nicht das einzige, was Papadopoulos verlangt, der 2003 mit Unterstützung eines Wahlbündnisses aus seiner liberalen Diko sowie der sozialistischen Akel, den Sozialdemokraten (Kisos) und den Grünen zum Präsidenten gewählt wurde. Dem Anraten aus Athen folgend, wäre er aber bereit, den Türkei-Beitrittsverhandlungen zuzustimmen, wenn es zumindest die ausdrückliche Versicherung zur Anerkennung der Republik Zypern aus Ankara gibt, bevor die praktischen Verhandlungen beginnen - sprich 2005.

Inzwischen hat Papadopoulos der türkischen Regierung direkte Gespräche angeboten. Sein Schreiben an Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan blieb aber bislang unbeantwortet. Sollte Ankara sich weigern, Zypern noch vor oder unmittelbar nach dem 17. Dezember anzuerkennen, so kann Papadopoulos nicht anders, als den EU-Beitritt der Türkei durch ein Veto zu blockieren.

35.000 Soldaten im türkischen Nordzypern

Ankara weiß aber, daß mit der Anerkennung Zyperns zwar das neue EU-Land in Brüssel Ja sagt, aber zugleich andere Schwierigkeiten beginnen. Zypern wird auch bei erfolgreichen EU-Beitrittsverhandlungen nicht für die Mitgliedschaft der Türkei stimmen, wenn:

- die etwa 35.000 Mann zählenden türkischen Truppen auf dem nördlichen Teil Insel ("Türkische Republik Nordzypern") bleiben,

- die Frage der auf Zypern umgesiedelten Türken nicht gelöst wird,

- Ankara nicht konstruktiv für die Wiedervereinigung Zyperns auf der Grundlage eines modifizierten Uno-Planes (Annan-Plan) mitarbeitet. Der letzte Uno-Plan würde nach Ansicht der Zypern-Griechen in seiner jetzigen Form die Republik Zypern zu einer staatsrechtlichen Karikatur degradieren. Der von den griechischen Zyprern am 24. April 2004 in einem Referendum (JF 19/04) abgelehnte (und von den Zypern-Türken angenommene) Vereinigungsplan entstand unter Federführung Londons und Washingtons und hatte das vorrangige Ziel, die Widerstände des türkischen Militärs gegen den EU-Beitritt der Türkei zu beseitigen.

- Nikosia wird dem Türkei-Beitritt nicht zustimmen, wenn die Immobilien der vertriebenen Griechen aus dem Norden der Insel nicht zurückgegeben oder entschädigt werden.

Ankara will diesen zyprischen Forderungen wohl nicht stattgeben. Die türkischen Truppen auf Zypern sind nicht nur ein Pressionsmittel gegen Zypern und Griechenland, sondern dienen auch dazu, sich als Machtfaktor im Ostmittelmeer und im Nahen Osten zu präsentieren. Nach Athener Informationen bereitet sich Washington vor, Flughäfen im türkischen Teil Zyperns zivil und militärisch zu nutzen.

Auch über die Rückführung der nach der Invasion von 1974 angesiedelten Türken in Nordzypern will Ankara nicht verhandeln, denn damit soll der türkische Bevölkerungsanteil Zyperns gestärkt werden. Durch ihre "Bevölkerungspolitik" betreibt die Türkei Außenpolitik. Zudem gehört weder eine Entschädigung noch eine Rückgabe der Immobilien der vertriebenen Zyprern zu den Absichten Ankaras. Im türkischen Sektor werden bereits solche ehemals griechischen Immobilien verkauft, meistens an Briten oder pensionierte türkische Offiziere.

Abstriche von den "europäischen Werten"

Doch das kleine EU-Land Zypern ist zu schwach, um seine Forderungen gegen den großen EU-Kandidaten Türkei durchzusetzen - obwohl sie dem EU-Recht entsprächen. Hinter dieser türkischen "Stärke" steht die Unterstützung durch die angloamerikanische Fraktion innerhalb der EU, aber auch der Rest der EU-Mitglieder ist offenbar bereit, Abstriche von den "europäischen Werten" auf Zypern hinzunehmen.

Einige EU-Regierungen ermuntern Papadopoulos jedoch hinter den Kulissen, am 17. Dezember sein Veto einzulegen. Sie übersehen aber, daß ein Alleingang Zyperns in dieser Frage unkontrollierte Reaktionen Ankaras auslösen könnte. Das von der Türkei weit entfernte Österreich etwa braucht solche Überlegungen nicht anzustellen.

Jedenfalls stünden Papadopoulos und Zypern innerhalb der EU im Falle eines Vetos nicht so allein, wie Washington, London und Ankara es gerne hätten. Griechenland ist aber trotzdem bestrebt, ein zyprisches Veto am 17. Dezember zu verhindern.

Auch das muß Papadopoulos berücksichtigen, denn er weiß, daß - sollte Ankara in einem solchen Fall eine "Maßregelung" Zyperns versuchen - ihm nur Griechenland zur Seite stehen würde. Ohnehin befindet sich der 2004 ins Amt gekommenen konservative griechische Ministerpräsident Kostas Karamanlis in einem Prozeß der Ernüchterung über die EU-Mitgliedschaft der Türkei.

Athen weiß zudem, daß Papadopoulos auch nach Beginn der EU-Verhandlungen mit der Türkei ihre Fortführung blockieren kann. Und das wird sicher geschehen, wenn Ankara auf so starke Abweichungen vom EU-Recht auf Zypern bestehen sollte. Die EU könnte dadurch bereits in eine Krise kommen, bevor die Türkei Mitglied geworden ist. 


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