© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/04 03. Dezember 2004

Meldungen

EU drückte die Ukraine "in die Arme Rußlands"

BERLIN/KIEW. Der Rußland-Experte Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hat vor einer einseitigen Parteinahme für den ukrainischen Oppositionsführer Viktor Juschtschenko gewarnt. Dies sei "nicht überdacht und verhindert Lösungen. Denn das andere Lager muß in einen Kompromiß eingebunden werden. Die halbe Ukraine hat einen anderen Kandidaten gewählt", erklärte der Rußland-Berater der Bundesregierung letzte Woche dem Wiener Standard. "Jetzt steht Juschtschenko als moralischer Sieger da aufgrund der vehementen Unterstützung des Westens." Dies sei strategisch nicht klug gewesen. "Janukowitsch wird einen Teufel tun, seine Macht ganz abzugeben, weil er weiß, daß viele Ukrainer für ihn gestimmt haben, auch wenn viele Stimmen gefälscht waren. Ob das dem Westen gefällt oder nicht." Rahr kritisierte die Ukraine-Ignoranz der EU. "Man hat dem Land nicht einmal eine langfristige Beitrittsperspektive geboten, die Ukraine nach Asien weggedrückt und damit in die Arme Rußlands. Jetzt, wo Teile der Bevölkerung gegen das Oligarchenregime aufbegehren, erinnert sich plötzlich der Westen an die Ukraine."

 

Das Donezkgebiet ist stark russisch geprägt

KIEW. Das Donezkgebiet, die Hochburg des ukrainischen Premiers und Präsidentschaftskandidaten Viktor Janukowitsch, ist das industrielle Herz der Ukraine. Trotz teils veralteter Anlagen aus der Sowjetzeit kommen aus den zirka 180 Donezk-Bergwerken jährlich etwa 60 Millionen Tonnen Steinkohle. In den Hüttenwerken werden über 30 Millionen Tonnen Stahl erzeugt. Politisch ist diese südöstliche Region der Ukraine in die beiden Provinzen Donezk (4,7 Millionen Einwohner) und Lugansk (2,5 Millionen) gegliedert. Zusammen mit Chemie, Maschinen, Lokomotiven und anderen Produkten werden im Donezkgebiet etwa 20 Prozent des ukrainischen Sozialprodukts erwirtschaftet. Im Gegensatz zum Westen des Landes, wo meist Ukrainisch gesprochen wird, dominiert im Donezkbecken das Russische - selbst bei vielen Ukrainern. Viele Einwohner stammen von russischen Zuwanderern ab, die mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ins Land strömten. Unter der Sowjetherrschaft verschärfte sich die Russifizierung.

 

Autonomie-Referendum wird verschoben

DONEZK. Das für kommenden Sonntag geplante Referendum über eine Autonomieregelung für die ostukrainische Region Donezk ist verschoben worden. Die Volksabstimmung werde zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt, erklärte Gouverneur Anatolij Blisnjuk letzten Dienstag. Der Grund sei eine gesetzlichen Bestimmung, wonach die Bevölkerung einen Monat vor einem Referendum davon in Kenntnis gesetzt werden müsse. Blisnjuk betonte aber, die Industrieregion suche keine völlige Autonomie, sondern wolle lediglich eine "eigenständige Republik innerhalb der Ukraine" sein.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen