© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/04 10. Dezember 2004

Meldungen

Identitätsstiftung im Elfenbeinturm

TÜBINGEN. Wer als Staatsrechtler in Göttingen seine Antrittsvorlesung hält, erweist gern Rudolf Smend seine Referenz. So auch Christian Callies, als er im Juli seine nun gedruckt vorliegenden Reflexionen über "Europa als Wertegemeinschaft - Integration und Identität durch europäisches Verfassungsrecht?" vortrug (Juristen-Zeitung, 21/2004). Dabei räumt Callies zwischen den Zeilen ein, daß des Altmeisters Smend so berühmte wie diffuse Zauberformel "Integration" nicht sonderlich praxistauglich ist. Callies' Geheimnis bleibt zudem, warum ausgerechnet das an "Volk" und "Rasse" orientierte NS-System den Staat so mißbräuchlich überhöhte, daß er nach 1945 als Integrationsinstanz nicht mehr getaugt habe. Klar ist nur, daß die EU-Entwicklung einen "Markt ohne Staat" schuf, der mit "Gemeinwohldefiziten" kämpft. Ob die in der EU-Verfassung festgeschriebenen "Grundwerte" nebst einigen sozial- und arbeitsrechtlichen Leerformeln in ihrer Umsetzung im "Wertealltag" wirklich die "europäische Identität" des Bürgers zwischen Portugal und Estland konstituieren, ist auch Callies vor dem Hintergrund des geplanten Türkei-Beitritts, dessen islamisches Gemeinwesen sich wohl kaum in den "europäischen Werteverbund" einfügen werde, eher zweifelhaft.

 

Von den "alten" zu den "neuen" Kriegen

STUTTGART. Der Krieg erlebt einen "Gestaltwandel". Dies glauben Monika Heupel und Bernhard Zangl über die "alten" und die "neuen" Kriege nachweisen zu können (Politische Vierteljahresschrift, 3/2004). Anhand von Fallstudien über die Bürgerkriege in Kambodscha, Afghanistan und Angola zeigen sie auf, daß dieser Wandel eng mit dem Ende des Ost-West-Konflikts verbunden sei. "Gewaltökonomien, Gewaltakteure, Gewaltmotive und Gewaltstrategien", die klassischen Konstanten der "alten Kriege" hätten sich in diesen Bürgerkriegen neu gruppiert. Deutlich sei die "Privatisierung der Gewaltakteure", ebenso erkennbar die krasse "Ökonomisierung der Gewaltmotive". Daher könne auch, gerade aufgrund dieser "Privatisierung" die "Kriminalisierung der Gewaltökonomie" stärker in den Vordergrund treten, was offenbar zwangsläufig zur "Brutalisierung der Gewaltstrategien" führe. Altmodische Vorstellungen von der "Legitimität" des Waffengebrauchs oder Rücksichten, die der völkerrechtlichen Regulierung von Waffengängen verpflichtet sind, haben in diesem mafiotischen Umfeld "brutaler Gewaltexzesse" natürlich keinen Platz.


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