© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/53 04 17./24. Dezember 2004

Frisch gepresst

Kriegsgesellschaft. Seit 1979 schreibt das heute in Potsdam residierende Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) an der offiziösen Chronik des Zweiten Weltkrieges. Geplant waren zehn Bände. Ein Vierteljahrhundert später hat man nach Erscheinen des siebten Bandes (2001) und dem vorerst "übersprungenen" Band 8 mit Band 9/I die Zielgerade erreicht. Mit Ausnahme des 1940 geborenen Militärhistori-kers Jürgen Förster, der sich hier allzu chronologisch und allzu "germanozentrisch" dem Thema "Geistige Kriegführung in Deutschland 1919-1945" widmet, kommt auf eintausend Seiten primär die jüngere Histori-kergeneration zum Thema "Deutsche Kriegsgesellschaft" zu Wort. Tobias Jersak, kirchenhistorisch versiert, schreibt über "Kriegsgesellschaft und Holo-caust", wobei die gestelzt theologisch eingetrübten Konklusionen nicht immer plausibel wirken. Jörg Echternkamp erinnert in vielen polemischen Spitzen seiner einführenden "Grundzüge der deutschen Gesellschaft im Zweiten Weltkrieg" noch am stärksten an den Geist der inzwischen ihre Pension verzehrenden "roten MGFA-Zelle". Christoph Rass informiert über das "Sozialprofil von Kampfverbänden" der Wehrmacht, Ralf Blank, peinlichst bedacht auf "Opferminimierung", bilanziert auf einhundert Seiten "Kriegsalltag und Luftkrieg". Winfried Heinemann, ein Schüler Hans Mommsens, wiederum untersucht auf zweihundert Seiten den militärischen Widerstand der "Nationalkonservativen", die die "NS-Herrschaft mitverschuldet" hätten, deren Handeln aber nicht nach "Nähe oder Ferne zur Werteordnung des Grundgesetzes" gemessen werde dürfe - immerhin! (Jörn Echternkamp, Hrsg.: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 9/I: Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945. Politisierung, Vernichtung, Überleben. DVA, München 2004, 993 Seiten, 49,80 Euro).


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