© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/05 07. Januar 2005

Pech für Abzocker
Die Bürger müssen mehr Einfluß auf die Landeslisten der Parteien bekommen
Paul Rosen

Die CDU-Politiker Hermann-Josef Arentz und Laurenz Meyer waren keine Einzelfälle. Dutzende von Bundestags- und Landtagsabgeordneten stehen oder standen auf den Gehaltslisten von Großkonzernen. Würden nicht die Berichte über die Folgen des Seebebens in Südasien die Zeitungsseiten füllen, hätten wir in Deutschland jetzt wieder einmal eine Debatte über die Korruption in der Politik. Die Betroffenen - und es dürften im Bundestag und den Landtagen nicht wenige sein - werden vermutlich hoffen, daß das Interesse an ihren Fällen schnell nachläßt und sie so weiterkassieren können wie bisher.

Seit der Flick-Affäre verlaufen Korruptionsfälle in der Politik stets nach demselben Muster. Abgeordnete werden erwischt, geben zunächst nur das zu, was ihnen unmittelbar nachgewiesen wird. Schließlich wächst der Druck, weil neue Details bekanntwerden. Kommt die eigene Parteiführung dann zu dem Ergebnis, daß der Volksvertreter nicht mehr zu halten ist, muß er zurücktreten. Die Fälle erfassen alle Parteien. Man erinnere sich: Auch Grüne hatten ihre Flugmeilen-Affären, steckten sich also von der Lufthansa gewährte Vergünstigungen in die eigene Tasche. Die CDU hat ihren Meyer, die SPD mindestens einige niedersächsische Landtagsabgeordnete, die sich auf den Gehaltslisten von VW finden.

Es wundert nicht, daß der Aufklärungswille des Bundestages gering ist. Um einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der die Korruption durch Großkonzerne untersuchen könnte, bedürfte es nur der Stimmen einer großen Fraktion. SPD oder Union könnten also für Aufklärung sorgen. Doch Hoffnungen, so ein Gremium könnte installiert werden, sind fehl am Platze. Abgeordnete aller Fraktionen sind betroffen, Und im übrigen gilt die alte Volksweisheit, nach der keine Krähe der anderen ein Auge aushackt.

Aufgrund des öffentlichen Drucks nach früheren Korruptionsfällen wurde der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung eingeführt. Da der Kreis derjenigen, die das Gesetz zu beschließen hatten, mit dem potentiellen Täterkreis identisch war, war das Ergebnis dieses gesetzgeberischen Handelns vorhersehbar. Die Strafbestimmung ist so schwammig geraten, daß eine Verurteilung nach Ansicht von Rechtsexperten nicht erfolgen wird.

Wegen Abgeordnetenbestechung kann nur bestraft werden, wer direkt auf den Ausgang einer Abstimmung in einem parlamentarischen Gremium Einfluß genommen hat oder wer sich als Abgeordneter für sein Stimmverhalten hat bezahlen lassen. Dabei ist allgemein bekannt, daß eine Einflußnahme nur dann erfolgreich ist, wenn sie bereits im Frühstadium des Gesetzgebungsverfahrens stattfindet. Auf die Schlußabstimmung im Bundestag kam es noch nie an.

Die zahlreichen Affären und Vorteilsnahmen durch Politiker haben im Volk den Eindruck verfestigt, daß es sich bei nicht wenigen Politikern um Raffkes handelt, die nichts anderes im Sinn haben, als ihre Taschen zu füllen. Viele Bürger quittieren dies mit Wahlverweigerung. Dies dürfte die Parlamentsparteien nicht im geringsten beeindrucken, weil sie selbst bei niedrigster Wahlbeteiligung ihre Mandate besetzen können. Wenn den Abgeordneten daran gelegen sein sollte, ihren Ruf wieder zu verbessern und die parlamentarische Demokratie zu festigen, reichen keine Offenlegungspflichten von Einkünften der Politiker, wie sie jetzt wieder einmal als bequemes Ablenkungsmanöver gefordert werden.

Wichtiger wären andere Maßnahmen: Da ist zunächst der bereits angeführte Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung. Er müßte erheblich verschärft werden. Verurteilte Abgeordnete müßten mit dem Verlust ihrer Pensionen zu rechnen haben. Es wäre zu prüfen, ob der "Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte" wie Entzug des passiven und aktiven Wahlrechts wieder eingeführt werden kann.

Darüber hinaus wären Änderungen am Wahlrecht angezeigt. Die heutige politische Klasse hat sich fest etabliert. Wahlergebnisse verschieben zwar die Mehrheiten im Bundestag, aber der Kreis der Handelnden in allen Parteien bleibt stets gleich. Möglich macht dies das deutsche Wahlrecht. Die Bürger haben keine Chance, einen unfähigen Politiker abzuwählen. Entziehen sie solch einem Volksvertreter das Vertrauen und wählen sie ihn als Direktkandidaten im Wahlkreis ab, zieht dieser Volksvertreter garantiert über die Landesliste seiner Partei wieder in das Parlament ein. Man wird solche Leute wie Laurenz Meyer also 2006 im Bundestag wiedersehen. Arentz hatte nur das Pech, daß die CDU-Landeslistenaufstellung für die NRW-Wahl kurz nach Bekanntwerden seiner Gehaltsaffäre stattfand. Sonst wäre er auch noch dabei.

Abhilfe könnte ein anderes Wahlrecht schaffen. Wer nicht das reine Mehrheitswahlrecht wie in Großbritannien einführen will, sollte den Bürgern wenigstens das Recht einräumen, direkt auf die Landeslisten der Parteien durch Streichen oder Ankreuzen bestimmter Kandidaten Einfluß zu nehmen - wie beispielsweise schon in Bayern. Dann hätten die Wähler die Möglichkeit, Raffkes wie Meyer aus dem Parlament zu werfen, und andere Volksvertreter würden sich genau überlegen, ob es sich für sie lohnt, die Silberlinge der Großkonzerne anzunehmen.


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