© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/05 07. Januar 2005

Gabis Schuhe
Hitziger Abtreibungsstreit in Salzburg entbrannt
Felix Menzel

Der seit Monaten schwelende Konflikt, ob Salzburger Landeskliniken Abtreibungen durchführen sollen (JF 35/04), ist um Weihnachten eskaliert. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) hatte gegen den Widerstand des Koalitionspartners ÖVP durchgesetzt, daß ab April 2005 in städtischen Spitälern Schwangerschaftsabbrüche für 425 Euro vorgenommen werden müssen.

Lebensschützer kündigten dagegen Proteste an, die bis Ostern andauern sollen. Bereits 300 Ärzte in Salzburg haben einen Aufruf unterschrieben, sie wollten keine Abtreibungen vornehmen. Auch unter der Belegschaft des St.-Johannis-Spitals ist deutlicher Unwille zu spüren. In einer Stellungnahme von Mitarbeitern heißt es: "Seit wann ist Schwangerschaft eine Krankheit? Seit wann ist das Kind wie ein Tumor, den man wegoperieren kann?"

Die teilweise recht plakativen Aktionen der Abtreibungsgegner sorgten in linken Kreisen, aber auch bei Kirchoberen für Irritation. Besonders eine Massensendung der Organisation "Jugend für das Leben", die per Post an 70.000 Salzburger Haushalte verschickt wurde, rief heftige Reaktionen hervor. Neben einem Anschreiben lag der Sendung - kurz vor Heilig Abend - eine provokante Zeichnung bei. Sie zeigt Burgstaller, die zwei Herbergssuchende an eine Abbruchklinik verweist. Soll heißen: Außer einer Abtreibung biete der Staat Menschen in Not keinen Ausweg.

Die "Jugend für das Leben" nimmt mit der drastischen Aussage Bezug auf Gegendemonstranten der SPÖ- Jugend bei einer christlichen Kundgebung. Deren Transparent trug die Aufschrift: "Hätte Maria abgetrieben, wärt ihr (Christen) uns erspart geblieben."

Während die "Jugend für das Leben" von "vielen positiven Reaktionen" berichtet, kritisierte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn im ORF, der Aktionismus einiger Gruppen in Salzburg schieße über das Ziel hinaus und sei "ganz und gar nicht zielführend". Allerdings stellte Schönborn gegenüber der Nachrichtenagentur kath.net klar, er begrüße "mit Dankbarkeit den Einsatz so vieler junger Menschen für den Schutz des Lebens". Salzburgs Erzbischof Alois Kothgasser distanzierte sich von der Massensendung mit der Burgstaller-Zeichnung: "Das ist nicht unsere christliche Art, mit manchen schwerwiegenden Problemen umzugehen", sagte er. Allerdings beharrt Kothgasser darauf, die Tötung eines ungeborenen Kindes sei "immer schwerstes Unrecht". Die "erste Aufgabe der Landeshauptfrau", so der Erzbischof, "ist doch der Schutz des Lebens".

Burgstaller selbst scheinen die persönlichen Attacken allmählich über den Kopf zu wachsen. Für Wirbel in den Medien sorgte Ende des Jahres eine Aktion "Schuhe für Gabi". Lebensschützer verschicken massenweise alte Schuhe an die Landeshauptfrau, die sie an die getöteten Kinder erinnern sollen. Die Organisatorin von "Schuhe für Gabi" zieht bewußt eine Parallele zu den Bergen von Schuhen, die nach Öffnung der NS-Konzentrationslager gefunden wurden. Ein Kind im Mutterleib habe ebensowenig eine Chance, sich zu wehren.

Seit 1974 gilt in Österreich die Fristenlösung. Wie hoch die Zahl der jährlichen Abtreibungen ist, läßt sich mangels offizieller Statistik nicht genau sagen. Nach Schätzungen gibt es 40.000 Abbrüche auf 80.000 Lebendgeburten. Laut einer jüngst veröffentlichten Umfrage machen sich 71 Prozent der Österreicher wegen des "dramatischen Geburtenrückgangs" Sorgen.


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