© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/05 07. Januar 2005

Zeitschriftenkritik: Horizonte
Eindrücke von der letzten Insel
Werner Olles

Horizonte, das vierteljährlich erscheinende "moderne Magazin für Reportage und Wissen", wartet in seiner zweiten Ausgabe mit einer Reihe interessanter Beiträge und prominenter Autoren auf. So hat sich Peter Scholl-Latour in einem der geheimnisvollsten Land der Welt umgesehen: in Nordkorea. Schon 1952 berichtete er über den Korea-Krieg und konnte sich nun einen lang gehegten Wunsch erfüllen, den Norden der Halbinsel bereisen und seine Eindrücke vom vollständig reglementierten Alltag "auf der letzten Insel des Stalinismus" schildern. Sein Bericht über den Staat, der "die Schwelle der nuklearen Aufrüstung überschritten hat", die Vergötzung des "Großen Führers" Kim Il Sung, aber auch über die landschaftliche Schönheit des Landes und die Höflichkeit und Freundlichkeit der Menschen liest sich streckenweise wie ein Kriminalroman.

Noch kein westlicher Journalist war so lange in Nordkorea und genoß so viele Freiheiten. Zwölf Tage reiste Scholl-Latour mit seinem Team im Land herum, wobei der übliche lückenlos überwachte Journalistenbesuch bei ihm bereits nach fünf Tagen endete. Selbst die deutsche Botschafterin, die er um ihre Begleitung gebeten hatte, war bisher noch nie im Norden an der chinesischen Grenze. Aus diesen ungeschminkten Eindrücken entstand eine Reportage über ein "Freilichtmuseum der Absonderlichkeiten des 20. Jahrhunderts". Selten habe er "soviel Verwirrendes gesehen", gesteht Deutschlands weitest gereister Korrespondent zum Schluß. Er habe nicht viel über Nordkorea gewußt, und wenn er ehrlich sei, wisse er jetzt noch weniger, worauf ihm der britische Botschafter lächelnd geantwortet habe: "Sehr gut. Dann haben Sie das Land begriffen."

Ein Dossier über die radikale und professionelle Plünderung der Natur in Asien berichtet vom grausamen Krieg der Wilderer und Schmuggler-Banden gegen Tiger, Nashörner, Elefanten und Schneeleoparden. Während Polizei und Wildhüter mit knappen Mitteln versuchen zu retten, was noch zu retten ist, geht es inzwischen um das Überleben der letzten wilden Tiere Asiens. Die Tier-Mafia schreckt dabei auch vor Hinterhalten und Sprengstoffanschlägen nicht zurück, und geschossen wird mit allem, was tötet, von Schrotmunition bis zu Stahlmantelgeschossen aus halbautomatischen Waffen. Gab es in den 1960er Jahren in Burma, Thailand und Laos noch eine intakte Natur mit von fruchtbaren Ebenen durchzogenen endlosen Wäldern und riesigen Verbänden von Antilopen, Affen oder Elefantenfamilien, ist dies heute längst Vergangenheit. Die Wälder sind gerodet, die Ebenen leer, regelrechte Säuberungsaktionen, bei denen im Akkord geschossen wurde, fanden statt. In China geriet ein Tierpark vor ein paar Jahren in die Schlagzeilen, weil Besucher dort für Geld einen mit Schlaftabletten vollgepumpten Tiger fast zu Tode prügelten.

Das Bewußtsein, daß wilde Tiere keine Ware, sondern ein wertvolles Naturerbe sind, beginnt jedoch auch in Asien langsam zu wachsen, seit Stars wie Jackie Chan sich in emotionalen Ansprachen öffentlich für Tierschutz stark machen. 

Anschrift: Heinrich Bauer Verlag. Burchardstr. 11, 20077 Hamburg. Das Einzelheft kostet 4,50 Euro, das Jahresabonnement 19,20 Euro.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen