© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/05 21. Januar 2005

Warten auf den gläsernen Abgeordneten
Nebentätigkeiten von Parlamentariern: Parteien vertagen Entscheidung über Neuregelung von Politikereinkünften
Marcus Schmidt

Wirklich überraschend war es nicht, daß am Dienstag die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen auseinandergingen, ohne sich auf eine gemeinsame Linie in der umstrittenen Frage der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten geeinigt zu haben. Noch im Vorfeld des unter dem zunehmenden Druck der Öffentlichkeit einberaumten Treffens war von allen Seiten versichert worden, man wolle möglichst schnell zu einem Ergebnis kommen und noch "im ersten Halbjahr" Änderungen auf den Weg bringen. Auch wenn nach dem ergebnislosen Treffen weiterhin unklar ist, wie diese Neuregelungen im Detail aussehen werden, ist eines mittlerweile klar: Den gläsernen Abgeordneten, der alle Einkünfte offenlegen muß, wird es auch in Zukunft nicht geben.

Schon in den Tagen vor dem Kriegsrat der Fraktionsmanager war zu beobachten, wie die Parteien in der Frage der Nebeneinkünfte ihrer Abgeordneten wieder an Boden gewannen, nachdem es kurzeitig so ausgesehen hatte, als ob sie die Initiative verlieren würden. Bestes Beispiel für das teilweise hilflose Agieren der Politikprofis lieferte noch am Montag der Parlamentarische Geschäftsführer Bundestagsfraktion der Grünen, Volker Beck.

Der Politiker - ansonsten nicht dafür bekannt, mit moralischen Urteilen zu geizen - wand sich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zum Thema Nebeneinkünfte dermaßen, daß der unmittelbar nach ihm befragte SPD-Politiker Norbert Gansel jegliche Zurückhaltung über Bord warf. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete sagte in Anspielung auf Beck, er sei "ziemlich wütend" über die "verlogene Diskussion", die von den Strippenziehern in den Parlamenten jetzt betrieben werde. Das Äußerste, auf das sich Beck festgelegt hatte, war das Eingeständnis, daß es einen Bedarf gebe, "zu gucken", wie die bislang bestehenden Regelungen zu den Nebeneinkünften wirksam eingehalten werden könnten.

Damit war die gemeinsame Rückzugslinie der Parteien definiert: Eigentlich sind die bestehenden Regeln gut, sie müssen in Zukunft nur eingehalten werden. Die neue Selbstgewißheit konnte auch die Meldung über den ehemalige Wirtschaftsminister Werner Müller nicht mehr erschüttern. Noch während seiner Amtszeit als Minister im ersten Kabinett Schröder hatte dieser von dem Eon-Konzern eine monatliche Pension von mehr als 8.000 Euro erhalten.

Keine Partei will ihren Mandatsträgern die Nebeneinkünfte offenbar ganz verwehren, obwohl sie mit dieser Forderung bei vielen Bürgern verspieltes Vertrauen zurückgewinnen könnte. Doch zu der Forderung, den Abgeordneten Nebentätigkeiten generell zu verbieten und die Parlamentarier dafür deutlich besser zu bezahlen, konnten sich bislang nur wenige Politiker aus der zweiten Reihe wie etwa der Grüne Oswald Metzger durchringen.

Ob die bislang ins Gespräch gebrachten Neuregelungen am Ende wirklich zu einer schärferen Überwachung der Nebentätigkeiten führen, muß sich erst noch herausstellen. Zu denken gibt etwa die Aussage des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, der gefordert hat, daß Abgeordneten, die Einnahmen aus Nebentätigkeiten nicht deklarieren, künftig mit Abzügen von den Diäten bestraft werden sollten. Jann-Peter Jansen, der wegen seiner nicht deklarierten Gehaltszahlungen von VW sein Mandat niederlegen mußte, hätte eine solche Strafzahlung sicherlich dem Ende seiner politischen Karriere vorgezogen.

Welche Dimensionen die Weiterbeschäftigung von Mandatsträgern auch jenseits der Bundesebene hat, machte unterdessen ein Bericht des Westdeutschen Rundfunks deutlich. Demnach hat in Nordrhein-Westfalen jedes fünfte größere Unternehmen einen oder mehrere Parlamentarier auf der Mitarbeiterliste.

Auffällig an der ganzen Diskussion ist, daß die Regierungsparteien nicht die Chance nutzten, sich auf dem sensiblen Feld der Nebentätigkeiten zu profilieren und alleine eine restriktive Regelung auf den Weg zu bringen. Mit ihrer Mehrheit könnten sie ihre Vorstellungen spielend umsetzen. Doch davon will Rot-Grün nichts wissen. Für die kommende Woche ist bereits eine weitere Runde parteiübergreifender Gespräche angesetzt. So ganz scheinen die Akteure den Selbstreinigungskräften der Politik nicht zu trauen. Der bayerische Landtagspräsident Alois Glück (CSU) forderte die Bürger jedenfalls schon einmal auf, ihre Kontrollmöglichkeiten wahrzunehmen. Wenn die Arbeit der Politiker durch die Nebentätigkeiten leide, "dann müssen sie als Wähler reagieren", sagte Glück.


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