© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/05 21. Januar 2005

Ungedrosselt
Schräge Vögel, einsame Wölfe: Paul Newman wird achtzig
Michael Insel

David Mamet nannte ihn "den schönsten Mann, der je die Leinwand zierte". Doch Paul Newman, der am 26. Januar achtzig wird, war stets mehr als nur ein Schönling. Statt sich auf den Sex-Appeal seiner stechend blauen Augen zu verlassen, baute er seine Karriere auf nicht immer sympathischen Außenseiterrollen auf. Erste Lorbeeren erntete er in "Die Hölle ist in mir" (1956) als Rocky Graziano, der halbstarke Raufbold, der sich zum Mittelgewichtschampion mausert.

In "Haie der Großstadt" (1961) spielt er den Zocker Fast Eddie Felson und prügelt Piper Laurie; in "Der Wildeste unter tausend" (1963) vergewaltigt er als trunksüchtiger Cowboy beinahe Patricia Neal. Der Knastbruder Cool Hand Luke in "Der Unbeugsame" (1967), der alternde Eishockey-Trainer, der in der Kultkomödie "Schlappschuß" (1977) vor nichts haltmacht, um zu siegen, und schließlich die Neuauflage von Fast Eddie in Martin Scorseses "Die Farbe des Geldes" (1987), für den er endlich einen Oscar gewann: lauter introvertierte Einzelgänger und Antihelden.

Newman wuchs in Shaker Heights, einem Vorort von Cleveland, auf. Nach dem Schulabschluß arbeitete er als Vertreter für Enzyklopädien, bis er in die Marine eintrat. Sein Traum, Pilot zu werden, scheiterte an seiner Farbenblindheit, und so verbrachte Newman den Zweiten Weltkrieg als Funker auf Torpedobombern im Süd-Pazifik. Hinterher kehrte er nach Ohio zurück, um am Kenyon College Literatur zu studieren. Vom Schauspielfieber gepackt, absolvierte er seine Lehrzeit an der Yale Drama School sowie im Repertoiretheater, unter anderem bei den renommierten Woodstock Players.

1949 heiratete Newman und siedelte seine junge Familie - drei hungrige Kindermäuler - zwei Jahre später nach New York um. Seine professionelle Laufbahn begann mit kleineren Rollen in Fernsehproduktionen. Zugleich entdeckte er das Actors Studio, wo Lee Strasberg Talenten wie Marlon Brando, James Dean oder Montgomery Clift die Stanislawski-Technik beibrachte, kurz "die Methode" genannt, bei der sich der Schauspieler mit Haut und Haaren in seine Rolle hineinversetzt. Zwar schien Newman die Psyche seiner Charaktere nie mit der Intensität eines Brando auszuleuchten, doch seine stärkere Bodenhaftung ging mit einem kantigen Stil einher, einem Rebellentum, das beim Publikum gut ankam.

Nach Hollywood gelangte er 1953 dank einer Rolle in William Inges Pulitzer-gekröntem Broadway-Stück "Picnic". Ein Jahr später feierte er sein Leinwanddebüt in "Der silberne Kelch", einem biblischen Epos, das sich als Flop von solch biblischen Ausmaßen erwies, daß Newman später eine ganzseitige Anzeige in Variety schaltete, um sich für den Film zu entschuldigen. Der Erfolg blieb ihm trotzdem nicht lange verwehrt; 1956 stand er in "Anklage: Hochverrat" wieder vor der Kamera, "Die Hölle ist in mir" folgte kurz darauf.

Als er 1957 mit Joanne Woodward in "Flammender Sommer" auftrat, war Newmans Scheidung schon eingereicht. James Ivorys "Mr. and Mrs. Bridge" (1989) mit Newman und Woodward in den Titelrollen ist eine Art Hommage an die Beständigkeit seiner zweiten Ehe - ihr 47. Hochzeitstag steht am 29. Januar ebenfalls an.

Von nun an war er auf dem Weg nach ganz oben nicht mehr zu bremsen. Die erste von insgesamt acht Oscar-Nominierungen als Bester Darsteller erhielt Newman für "Die Katze auf dem heißen Blechdach" (1958), es folgten Meisterwerke wie "Butch Cassidy und Sundance Kid" (1969) und "Der Clou" (1973), beide mit Robert Redford als Co-Star. Auch als Regisseur machte Newman sich mit Filmen wie "Die Liebe eines Sommers" (1968), "Die Wirkung von Gammastrahlen auf Ringelblumen" (1972) und "Die Glas-Menagerie" (1987) einen Namen.

Längst ist er zudem das schönste Gesicht, das je eine Flasche Salatdressing zierte - Erlöse aus diesem und anderen Produkten fließen in wohltätige Projekte wie ein Ferienlager für unheilbar kranke Kinder oder die Scott-Newman-Stiftung gegen Alkohol- und Drogenmißbrauch (benannt nach seinem Sohn, der 1978 an einer Überdosis starb).

Statt sich mit Großvater-Stereotypen zu begnügen, ist Newman seiner Vorliebe für schräge Vögel bis heute treu geblieben, zuletzt in "Hudsucker - Der große Sprung" (1994) und "Road to Perdition" (2002) von den Coen-Brüdern bzw. Sam Mendes. Als nächstes steht der Disney/Pixar-Trickfilm "Cars" auf dem Programm. Seine langjährige Leidenschaft für dieselben, der er schon 1969 mit "Indianapolis" huldigte, wäre dem Jubilar jüngst fast zum Verhängnis geworden: Am 8. Januar fing bei einer Testfahrt in Daytona sein Rennwagen Feuer, Newman konnte unversehrt aus dem Cockpit steigen. Den Geburtstagsgruß, er möge das Tempo drosseln, würde man sich nie und nimmer anmaßen. 


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