© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/05 21. Januar 2005

Frisch gepresst

Adam Müller. Der 175. Todestag des romantischen Staatsdenkers Adam Müller hat im letzten Jahr nur ein bescheidenes öffentliches Echo gefunden (JF 28/04). Zu sehr lastet auf ihm der Ruf des bloß Reaktionären seiner Staats- und Wirtschaftslehre, die schon Anfang des 20. Jahrhunderts, zur Zeit ihrer zaghaften Wiederentdeckung, als hilflos-rückwärtsgewandte Antwort auf die industrielle Revolution und ihre gesellschaftlichen Umwälzungen galt. "Positive Lösungen", gar noch in wissenschaftlich "objektivierbarer" Form, kann man seinen "Elementen der Staatskunst" und den sonstigen Arbeiten auch wahrlich nicht entnehmen. So bleibt sein Werk allein den Historikern reserviert. Zu ihnen zählt der Japaner Tetsushi Harada, der bereits 1989 den "Korpo-rativismus" bei Müller, Fichte und Hegel vergleichend untersuchte und dabei feststellte, daß Müller gegenüber den preußischen Staatsphilosophen der weniger "zentralistische" Theoretiker war. Seine nun präsentierte Arbeit bietet die Zusammenfassung einiger Müller-Aufsätze aus den letzten zehn Jahren, unter denen die Studie über Müllers Agrar- und Entwicklungslehre der Forschung vielleicht am meisten Neues bietet (Adam Müllers Staat- und Wirtschaftslehre, Metropolis Verlag, Marburg 2004, 149 Seiten, 29,80 Euro).

Kaiserlicher Diplomat. Die Bismarcksche Außenpolitik und die Zeit danach wurden in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts oft dahingehend untersucht und bewertet, inwieweit das fragile europäische Bezie-hungsgeflecht bzw. dessen spätere Vernachlässigung die "Urkata-strophe" des Ersten Weltkriegs bedingte. Mit diesen etwas angestaubten Maßstäben müßte das Urteil über den kaiserlichen Diplomaten Paul von Hatzfeld (1831-1901) eher negativ ausfallen. Vera Niehus biographiert in ihrer Dissertation diesen Beamten, den Bismarck einerseits als "bestes Pferd im Stall" lobte, aber wegen seiner legeren Amtsführung auch als "faulen Paul" schmähte. Hatzfeld, dessen Einflüsse als Botschafter in Konstantinopel (1878-1881) und mehr noch in London (1885-1901) nachweisbar sind, galt der "englischen Partei" der Rußlandskeptiker zugerechnet, denen letztlich nach Bismarcks Rückzug der Schulterschluß mit London trotz der bewußten Vernachlässigung St. Petersburgs nicht glücken sollte (Paul von Hatzfeld. Politische Biographie eines kaiserlichen Diplomaten. Duncker & Humblot, Berlin 2004, 197 Seiten, broschiert, 68,80 Euro).

Bismarck. Eine der populärsten Primärquellen hat eine neue Auflage erfahren. Die in den letzten Lebensjahren in Friedrichsruh entstandenen "Gedanken und Erinnerungen" (Herbig Verlag, München 2004, 633 Seiten, gebunden, 24,90 Euro) des Reichskanzlers a.D. erlauben einen Blick in sein innen- und außenpolitisches System. Obwohl sich die Befürchtung - insbesondere Wilhelms II. - von einer rachegetränkten Abrechnung nicht erfüllt, leisten Bismarcks Memoiren wenig Beitrag, der noch zu Lebzeiten einsetzenden Verklärung seiner Person zu widersprechen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen