© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/05 28. Januar 2005

Frisch gepresst

Militante Denker. Der Erste Weltkrieg bescherte den europäischen Völkern schon recht kräftige Ansätze "totaler Mobilmachung". Sieg und Niederlage hingen nicht allein von militärischer Kampfkraft ab. Gegen das Deutsche Reich griff die Entente auf das Mittel des Wirtschaftskrieges zurück, der die Zivilbevölkerung in das Kampfgeschehen miteinbezog. Eine neue Front wurde schließlich mit dem Propagandakrieg eröffnet, den die Presse-"Feldherrn" in London und Paris von Anfang an so offensiv führten, daß sie bald die "Weltöffentlichkeit" dominierten. Die deutschen Reaktionen, von amtlich nur zaghaft unterstützten Gelehrten, Schriftstellern und Journalisten organisiert, wirkten dagegen fast rührend. Trotzdem werden die deutschen Intellektuellen-Aufrufe bis heute gern als eine Art geistiger Giftgasangriff gewertet und stereotyp als "berüchtigt" und "militaristisch" dem deutschen "Tätervolk" ins Schuldbuch eingetragen. Die Untersuchungen, die der deutschen Kriegspublizistik und ihren "Ideen von 1914" galten, mußten, um zu so klaren moralischen Urteilen zu gelangen, die Gegenseite regelmäßig ausblenden. Es ist daher das größte Verdienst der Münsteraner Dissertation von Peter Hoeres, den "Krieg der Geister" als "Kampf der Kulturen" dargestellt, dabei minutiös die Phalanx der Kombattanten auf beiden Seiten gemustert und so endlich eine lange beklagte Lücke der Ideengeschichte geschlossen zu haben, so daß jetzt, wie Sonja Asal in der Süddeutschen Zeitung lobt, der "nationale Überschwang in Deutschland" im "internationalen Vergleich" zu betrachten sei. Wie politisch brisant ein solches "Vergleichen" sein kann, zeigt aber bereits die erste gereizte Reaktion eines quidam Thomas Meyer im altbundesdeutschen Gesinnungsreservat Frankfurter Rundschau (Krieg der Philosophen. Die deutsche und die britische Philosophie im Ersten Weltkrieg, Schöningh Verlag, Paderborn 2004, 646 Seiten, 78 Euro).

Fundamentalismus. Die am Oxforder Leo Beack College for the Study of Judaism lehrende Theologin Karen Armstrong analysiert den religiösen Fundamentalismus von Protestanten im amerikanischen Mittelwesten, orthodoxen Juden in Israel, Sunniten in Ägypten und Schiiten im Iran. Im Gegensatz zu vielen anderen Publikationen ist Armstrong, die vor ihrer 35jährige Lehrtätigkeit sieben Jahren als katholische Nonne einem Orden angehörte, in ihrem Werk davor gefeit, nicht zwischen tiefer Religiosität und Fundamentalismus zu trennen und damit das Kind mit dem Bade auszuschütten. Ihr Werk, welches vor der jetzigen Veröffentlichung in Deutschland bereits die Sachbuch-Bestsellerlisten in Großbritannien und den USA anführte, liefert einen erhellenden Beitrag zum Phänomen, daß in der technisierten, aufgeklärten und säkularen Gegenwart die fanatische Reaktion auf Umwälzungen der Moderne immer mehr militante Eiferer findet, die sogar Mordbrennen in Synagogen, Moscheen oder Abtreibungskliniken religiös ableiten zu können glauben (Im Kampf für Gott. Fundamentalismus in Christentum, Judentum und Islam. Siedler Verlag, München 2004, 608 Seiten, gebunden, 28 Euro).


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